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210 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Giudici
Apologia
Iudaeorum Prozessverlauf, den sich zuspitzenden Streit mit dem päpstlichen Gesandten und
die Anfänge des Simonkultes fest, wobei die Verärgerung des anonymen Verfassers
angesichts diverser Interventionen zugunsten der Juden, die er zur Gänze deren
Bestechungsversuchen zuschreibt, deutlich spürbar ist. Nicht zuletzt offenbaren die
Mitschriften die Machtlosigkeit von Papst Sixtus IV.: Seine Anweisungen wurden
offen missachtet, die Parallelermittlungen seines Kommissars Giovanni Battista de
Giudici, den er zur Untersuchung des Verfahrens nach Trient entsandt hatte, waren
von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die letzten Seiten der Collectanea sind
der Rechtfertigung des Trientner Prozesses gewidmet, den Giudici für mangelhaft
erklärt hatte.
Der in den Collectanea angegriffene päpstliche Legat Giudici (Hsia 1992, 69–80)
wurde in Finale in Ligurien geboren und trat bereits in jungen Jahren in den Domi-
nikanerorden ein. 1471 wurde er zum Bischof von Ventimiglia und noch im selben
Jahr zum Mitglied der Kurie ernannt. Ironischerweise entsandte Sixtus IV. Giudici
u.a. deshalb nach Trient, weil dieser häufig gegen die Juden gepredigt und nie nä-
her mit ihnen zu tun gehabt hatte. Wegen Anfeindungen von Seiten Hinderbachs
musste Giudici seinen Sitz bald nach Rovereto verlegen, wo er durch Vernehmung
von Zeugen und eigenständige Ermittlungen die Wahrheit über den angeblichen
Ritualmord herausfinden wollte. Aufgrund seiner kritischen Berichte wurde Ende
1475 eine Kardinalskommission ernannt, die das Verfahren überprüfen sollte, sich
jedoch im Endeffekt für die Rechtmäßigkeit von Hinderbachs Vorgehen aussprach.
Unterstützung erhielt Giudici bei seinen Bemühungen von drei Paduaner Juristen,
Antonio Capodilista, Pietro Soncino und Michele de Mera, die auch die Verfasser
der Gutachten für die Verteidigung waren.
In seiner Apologia Iudaeorum („Verteidigung der Juden“ ; Ausgabe : Quaglioni
1987a) aus dem Jahr 1478, die an die römische Kommission gerichtet war, berichtet
Giudici über seinen Aufenthalt in Trient : Seine Bemühungen, Zeugen zu laden und
die Angeklagten zu vernehmen, seien immer wieder sabotiert worden. Auch per-
sönlich habe man ihn nach Kräften schikaniert, wie beispielsweise folgendes Detail
zeigt (Quaglioni 1987a, 54) :
Sed idem Tridentinus episcopus fecit illi parare pessimum et inhonestum hospicium vicinum suo
castro, in quo cum magna incomoditate et propria expensa stetit diebus xxii, semper infirmus
propter malam cameram, que erat humidissima et in quam desuper pluebat, quia e superiori
loco tota erat aperta.
Aber der Bischof von Trient ließ jenem [Giudici] ein äußerst übles und unehrenhaftes
Quartier in der Nähe seines Kastells herrichten, in welchem er unter großen Entbehrungen
und auf eigene Kosten 22 Tage lang blieb, ständig krank wegen des schlechten Zimmers,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593