Seite - 216 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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216 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Ursachen
Gaismair hang sind die Bauernkriege zu sehen, die innerhalb Österreichs ihren Ausgang von
Tirol nahmen, wobei allerdings Anstöße aus dem südwestdeutschen Raum kamen.
Auslöser war ein Konflikt zwischen dem aus Antholz stammenden Peter Paßler und
dem Brixner Bischof Sebastian II. Sprenz. Paßler wurde gefangen genommen und
zum Tode verurteilt. Am Tag der geplanten Hinrichtung, dem 9. Mai 1525, wurde
er von Brixner Bauern mit Gewalt befreit, was dann zu allgemeinem Aufruhr und
zu Plünderungen adeliger und geistlicher Güter in und um Brixen führte. Wenige
Tage danach wurde Michael Gaismair, Sekretär des Brixner Bischofs, gebildet und
aus wohlhabendem, gleichwohl bäuerlichem Haus, von den Bauern zum „Obersten
Feldhauptmann“ gewählt. Gaismair war vor seiner Anstellung in Brixen in den
Diensten des Landeshauptmanns Leonhard von Völs gestanden und so auf Grund
seiner Herkunft und seiner Karriere mit allen Facetten der Problemlage praktisch
und wohl auch über einschlägiges Schrifttum vertraut : Es ist nicht unwahrschein-
lich, dass ihm die frühhumanistischen Gedanken des Nicolaus Cusanus, aber auch
revolutionär-utopische Schriften von der Reformatio Sigismundi („Reform des Sig-
mund“) bis hin zu Müntzer und Morus, dessen Utopia 1516 erstmals gedruckt
wurde, bekannt waren.
Der Grundkonflikt, der nahezu zu allen Zeiten und Orten zwischen einem Mo-
narchen und den von ihm Regierten, v.a. denjenigen aus den oberen Schichten,
herrscht, hatte sich in Teilen des Reiches in der Weise kanalisiert, dass jener sich mit
diesen in Form einer Ständevertretung auseinandersetzte. Während dies andernorts
bisweilen radikale Formen annehmen konnte – krassestes Beispiel in nahem zeitli-
chen Zusammenhang ist vielleicht der Aufstand der niederösterreichischen Stände
und der Stadt Wien, der mit dem Blutgericht von Wiener Neustadt im Jahre 1522
endete –, gelang es in Tirol zumeist, die Konflikte in Verhandlungen, v.a. in Form
von Landtagen, auszuhandeln. Allerdings war im Vorfeld der Bauernkriege die Un-
zufriedenheit nicht nur unter den Bauern, sondern auch in den anderen Ständen
hoch. Im Bauernstand richtete sie sich nicht nur gegen den Monarchen, sondern
auch gegen die oberen Stände des Adels und der Kirche, und das, obwohl der Bau-
ernstand in Tirol größere Freiheiten genoss als andernorts. Gleichwohl empfand man
den von oben weitergegebenen Druck an Steuern und Abgaben, die Ausbeutung der
Bergwerke zugunsten auswärtiger Handelshäuser (die zu Knappenaufständen in den
Bergbaugebieten führte), die Privilegien in Jagd und Fischerei, die Einschränkungen
in Wald- und Weidenutzung, die zunehmende Anwendung des ungewohnten römi-
schen Rechts durch bürgerliche Berufsjuristen u.a. als immer unerträglicher, wobei
die oben erwähnte revolutionäre Grundstimmung förderlich hinzutrat. Diese wurde
speziell in Brixen auch von Teilen des Bürgertums mitgetragen.
Gaismair schlug eine Reform vor, die Bürgern und Bauern in politischer und
rechtlicher Hinsicht eine Art von Gleichstellung mit den oberen Ständen des Adels
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593