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222 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
staatlicher
Einfluss auf das
Schulwesen
Frühabsolutismus Rascher und erfolgreicher ging die Einrichtung von allgemein zugänglichen
Schulen voran. Innsbruck konnte in dieser Epoche neben dem Jesuitenkolleg
bereits drei deutsche Schulen vorweisen, und solche sind nicht nur in Städten,
sondern auch in Märkten und sogar in einigen Dörfern bezeugt. Allerdings stell-
ten auch sie, wie bereits erwähnt, ein Einfallstor für protestantische Lehren dar,
weshalb auch hier landesfürstliche Kontrolle angebracht schien. So zeichnete sich
auch in dieser alten Domäne der Kirche allmählich staatlicher Einfluss ab. Man
sprach sich stärker zu Gunsten lat. Schulen aus, um die verdächtigen deutschen
zurückzudrängen, und bevorzugte jene auch bei Aufwendungen. Neben den Je-
suitenkollegien in Innsbruck und Hall sind dazu auch einige Klosterschulen und
die Domschule in Brixen zu zählen. Für das Elementarschulwesen wurde 1586
auf landesfürstliches Betreiben eine allgemeine Schulordnung, die sogenannte
Instruction, erlassen, die Organisation und Lehrplan regelte, erzieherische und
didak tische Anweisungen gab und so erstmals zu einer gewissen Vereinheitlichung
unter staatlicher Aufsicht führte. Diese oblag dem Ortspfarrer und zwei von den
staatlichen Behörden bestellten „Scholarchen“, als Fächer waren Religion, mit zu-
sätzlichen Regelungen zum Katechismusunterricht, Lesen, Schreiben und Singen
vorgeschrieben. Der Schulbesuch war gleichermaßen für Buben und Mädchen
gedacht, im höheren Schulwesen allerdings dünnte sich das Angebot für Mädchen
rasch aus, in Frage kamen neben einigen Stadtschulen nur ein paar Frauenklos-
terschulen, etwa das der Klarissen in Meran oder St. Martin bei Schwaz. Negativ
auf die Frauenbildung wirkte sich zweifellos der Ende des Jahrhunderts auch in
Tirol fühlbare, v.a. Frauen unterdrückende Hexenwahn aus. Noch in Ferdinands
Zeit fällt etwa die Folterung und Verbrennung der Barbara Juffinger in Kufstein
im Jahre 1580.
Die angedeuteten späthumanistischen Tendenzen einer Latinisierung bzw. Ro-
manisierung des öffentlichen und kulturellen Lebens verbanden sich in der Re-
gierungszeit Ferdinands II. mit einer ebenfalls bereits in der Renaissancekultur
vorzufindenden Betonung des Hofes und seines Fürsten zu einer Lebens- und Re-
gierungsform, die man als Frühabsolutismus bezeichnet hat. Wesentlich dazu bei-
getragen hat zweifellos die bereits geschilderte Vorreiterrolle der weltlichen Stellen
in der kirchlichen Reform, die zu einer steten Machtzunahme des Landesfürsten
zuungunsten der jeweiligen Bischöfe führte. Ein wesentliches Moment stellte auch
die schon angesprochene Zunahme des römischen Rechts in Kodifikation und Aus-
übung dar. Die vermehrt eingesetzten professionellen Juristen waren darin ausgebil-
det, die Landesordnung von 1573, die nach langem Vorlauf jene von 1532 ablöste,
orientierte sich zwar (wie einleitend explizit betont wird) am Hergebrachten, in
ihrer Handhabung drang aber v.a. über die höheren Instanzen das römische Recht
ein und setzte so alte Gewohnheitsrechte zunehmend außer Kraft.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593