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Dichtung 233
Ottenthaler
Historia
Pentecostes
Tetrasticha
auch auf die Entscheidung für Distichen statt, wie das die antike Bibeldichtung na-
helegt, für Hexameter zutreffen, mit der Putsch allerdings, wie die im Anschluss zu
besprechenden Texte zeigen werden, auch ganz im Trend seiner Zeit liegt. Sprach-
liche Höhepunkte bilden die zahlreichen direkten und indirekten Überzeugungs-
und Bekehrungsreden, die einen Großteil v.a. des legendenhaften Abschnitts ein-
nehmen, sowie eine Reihe von Gleichnissen. So wird etwa der aufgeblasene Philetus,
als er zu seiner ersten Invektive gegen Jakob ansetzt, passenderweise mit dem Pfau,
der Verkörperung der Eitelkeit, verglichen : Haud secus intumuit quam si Iunonius
ales / Erigitur pennas conspiciendo suas (Bl. Dv ; „Nicht anders blähte er sich, als
wenn der Vogel der Juno sich beim Betrachten seiner Federn spreizt“).
Paul Ottenthaler (der uns weiter unten nochmals als Panegyriker begegnen wird)
wurde wohl in den 1530er-Jahren geboren, besuchte die Lateinschule in Innsbruck
und studierte in Ingolstadt. 1556 kehrte er als Magister der Künste nach Innsbruck
zurück, wo er ab 1558 am kaiserlichen Hof – dieser befand sich unter Ferdinand I.
ja de facto in Innsbruck – als Präzeptor der Edelknaben wirkte. Nach dem Tod von
Gerhard de Roo wurde er dessen Nachfolger als Bibliothekar von Ambras, wo er
auch gestorben zu sein scheint. Ottenthaler trat literarisch durch lat., deutsche und
zweisprachige Veröffentlichungen in Erscheinung (Waldner 1893, 385–387).
Hier sei zunächst das zweite Gedicht eines Bändchens besprochen, das er un-
ter dem Titel Palaemon, aegloga heroico carmine conscripta. Historia pentecostes ele-
giacis versibus reddita („Palaemon, ein Hirtengedicht im heroischen Versmaß. Die
Pfingstgeschichte in elegische Verse übertragen“) 1557 in Innsbruck publizierte
und dem Stamser Abt Georg Perghofer widmete. Die 84 Verse umfassende „Pfingst-
geschichte“ – sie wurde, wie aus dem Widmungsgedicht hervorgeht, bereits einige
Zeit vor ihrer Publikation verfasst – bedient sich wie Putschs Jakobsvita des elegi-
schen Distichons. Sie verfährt mit ihrer Vorlage aus der Apostelgeschichte recht frei
und bietet auch einen kurzen Überblick über die Vorgeschichte. Nur an wenigen
Stellen ist die Bindung an den Ausgangstext so stark, wie wir das aus anderen in
dieser Zeit entstandenen Bibelversifizierungen kennen (vgl. z.B. V. 53–76 mit Apg
2,4–12). Am originellsten ist die Schilderung des Höhepunktes des Pfingstwun-
ders : Drei Gleichnisse illustrieren den Moment, in dem der Heilige Geist in Feuer-
gestalt auf die Apostel niedersteigt, und verleihen ihm episches Kolorit.
Die ebenfalls 1557 erschienenen Cyri Theodori Prodromi tetrasticha iambica et
heroica in vitas Sanctorum Gregorii Nazianzeni, Basilii Magni, Ioannis Chrysostomi
(„Jambische und hexametrische Vierzeiler des Cyrus Theodorus Prodromus auf die
Lebensgeschichten der Hl. Gregor von Nazianz, Basilius des Großen und Johan-
nes Chrysostomos“) sind ein Übersetzungswerk. Weshalb Ottenthaler sich gerade
das anspielungsreiche und etwas sperrige Opus des im Titel genannten byzantini-
schen Autors aus der ersten Hälfte des 12. Jhs. als Vorlage ausgesucht hat, das er
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593