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Dichtung 237
zwei interessante
Stücke
In Iacobi a Gless
exequias carmen
extemporaneum
dinal im Jahr 1530, daran anknüpfende Spekulationen über eine künftige Wahl
zum Papst sowie der von ihm erbaute prächtige Magno Palazzo. Der Grad der Ab-
hängigkeit der Autoren von Cles und damit auch der ihrer pekuniären Motivation
ist unterschiedlich. Während beispielsweise der berühmte Humanist Graf Niccolò
d’Arco dem Fürstbischof recht unabhängig gegenübersteht, befindet sich Richardus
Sbrolius offenbar in einer akuten Notlage und muss verzweifelt deutlich werden
(Steinmayr 1935, 137, Diskussion 113) :10
Quos promisisti, praesul bone, porrige nummos :
Promissis standum quis neget esse piis ?
Aureolos nobis numerari praecipe ternos.
Händige mir das Geld aus, guter Bischof, das du mir versprochen hast ! Wer würde bestrei-
ten, dass fromme Menschen ihre Versprechen halten müssen ? Lass mir die drei Goldstücke
auszahlen.
Zwei Stücke, die sich aus der Masse des Durchschnittlichen herausheben, stammen
von Niccolò d’Arco und Tommaso de Fatis (vgl. hier S. 290). D’Arcos Gedicht
(Steinmayr 1935, 136, Diskussion 123–124), verfasst zu Cles’ Heimkehr von einer
Reise, ist in erster Linie aufgrund seines seltenen, von Horaz (carm. 1,7 und 28,
epod. 12) übernommenen Versmaßes interessant, bei dem jeweils ein katalektischer
daktylischer Tetrameter auf einen Hexameter folgt ; im dritten Fuß des Tetrameters
erlaubt es sich d’Arco aus unklaren Gründen, den Daktylus bzw. Spondeus durch
einen Trochäus zu ersetzen. Beim in Hendekasyllabi gehaltenen Beitrag von Tom-
maso de Fatis (Steinmayr 1935, 138, Diskussion 113–115) handelt es sich um eine
kurios verrätselte Aufforderung, endlich die Schuldigen am Tod seines 1524 ermor-
deten Vaters Paolo de Fatis zur Rechenschaft zu ziehen. Der Autor übersendet dem
Fürstbischof einen Korb Pilze und beantwortet die Frage nach dem Grund hierfür,
indem er eine Reihe weit hergeholter Analogien zwischen der Natur dieser Ge-
wächse und dem Vorgehen zieht, das er von Cles erwartet : z.B. wachsen die Pilze,
wenn es donnert und regnet – so soll auch Cles strafend donnern und den Regen
seiner Gerechtigkeit herniederströmen lassen (V. 8–9, 17–19).
Nicht bei Steinmayr 1935 findet sich eine auf Bl. 22r–23v der Hs. BCT, ms. 1679
überlieferte Klageelegie des bei Steinmayr mit drei anderen Gedichten vertretenen
Bartholomäus Amantius auf Jakob von Cles, den 1525 von aufständischen Bauern
getöteten Bruder des Bischofs (vgl. Gritsch 1988). Amantius unterrichtete in Ti-
rol an verschiedenen Schulen, u.a. auch in Trient, bevor er seit den 1530er-Jahren
10 Wenn Steinmayr den Autor Riccardo Skruzio nennt, dürfte das auf einen Lesefehler zurückgehen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593