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246 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Vorbilder
Huldigungs-
gedicht auf den
Erzbischof von
Salzburg
Inhalt, Aufbau
Einzug
Maximilians
II. in
Trient Vergils und über dieses auf den Aitienprolog des Kallimachos zurück. Während
der Apoll seiner Vorgänger jedoch darauf drängt, von großen Werken über „Kö-
nige und Kriege“ (Verg. ecl. 6,3 ; reges et proelia) zugunsten von Kleindichtung
Abstand zu nehmen, stellt sich für den Dichtergott Fischers diese Alternative gar
nicht mehr : Die Lobpreisung der Madruzzo und ihrer grandiosen Taten ist für ihn
die einzig praktikable Möglichkeit von Poesie.
Fischers Kompetenz im Verarbeiten literarischer Vorbilder zeigt sich auch, wenn
man das Werk in seiner Gesamtstruktur betrachtet. Es kombiniert nämlich ge-
schickt Motive aus Hesiods Erga (dichterische Inspiration an einem locus amoenus),
Ciceros Somnium Scipionis (der Traum als Ort der Unterweisung und Motivation
durch verstorbene Vorfahren) und der Heldenschau des sechsten Aeneis-Buches
(Familien- und Nationalgeschichte als Medium enkomiastischer Kommunikation).
Einzig die Doppelung der beiden Träume wirkt etwas manieriert.
Anhangsweise sei hier noch auf eine 1560 in Innsbruck gedruckte Huldigung an
einen Salzburger Erzbischof hingewiesen, die wir dem bereits erwähnten Paul Ot-
tenthaler (vgl. hier S.
233) verdanken. Die elfseitige Elegie ist (wie schon Christoph
Wilhelm Putschs Gedicht über den Hl. Jakob, vgl. hier S. 231–233) an Johann
Jakob von Kuen-Belasy gerichtet, der soeben zum Oberhirten von Salzburg ernannt
worden ist.
Das Gedicht hat die Bischofswahl selbst zum Thema. Es schildert die Zusammen-
kunft des Domkapitels, in der ein besonders würdiger Vertreter Partei für Kuen-Be-
lasy ergreift (Bl. Aiiir–Biir). In dessen Rede verpackt Ottenthaler eine breite Palette
enkomiastischer Topoi. Diese fehlen dem Werk auch sonst nicht. So folgt auf die
Schilderung des erfolgreichen Ablaufs der Wahl ein Bericht über die enthusiasti-
schen Reaktionen in der Öffentlichkeit, bei dem besonders die Freude der Künstler
hervorgehoben wird : Der neue Erzbischof soll nämlich ein noch größerer Mäzen
als sein Vorgänger sein (Bl. Biiv–Biiiv). Die Ereignisse in Salzburg sind in einen reiz-
vollen Rahmen eingebettet : Zu Beginn schildert der Dichter, wie er in der Nacht
vor seinen Büchern sitzt. Plötzlich erscheint ihm seine Muse und beklagt sich, dass
er seine poetischen Talente überhaupt nicht nutze. Der Dichter entschuldigt sich
damit, dass ihm ein adäquater Stoff fehle (Bl. Aiiirv). An diesem Punkt hakt die
Muse ein und erzählt ihm von der Bischofswahl. Am Ende des Gedichts schildert
der Dichter, wie er den Bericht der Muse ins elegische Distichon gießt (Bl. Biiiv).
Mit den frühesten Beispielen für Panegyrik an Adressaten aus dem Hause Habs-
burg kehren wir gleichzeitig nochmals nach Trient zurück. 1551–1552 reiste der
junge König von Böhmen und spätere Kaiser Maximilian II. nach einer vierjäh-
rigen Statthalterschaft in Spanien mit seiner Frau Maria und seinen zwei Kindern
Anna und Ferdinand von Madrid nach Wien und zog dabei im Dezember 1551
mit großem Gepränge in Trient ein, wo gerade das Konzil tagte. Obwohl es zu
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593