Seite - 254 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 254 -
Text der Seite - 254 -
254 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Vorbilder
Adressaten angeordnet sind, bedienen eine Vielfalt von lyrischen Gattungen. Neben Epigram-
men, die zahlenmäßig am stärksten vertreten sind, trifft man auf Hochzeitslieder,
Oden, Hymnen, Enkomien und Spottgedichte. Ebenso abwechslungsreich sind die
verwendeten Versmaße : Sie reichen vom elegischen Distichon über Hendekasyllabi
und Hinkjamben bis hin zu verschiedenen horazischen Strophensystemen.
Dieses reiche Repertoire, welches de Roo zu einem bedeutenden Vertreter der
nlat. Lyrik des 16. Jhs. macht, legt auch schon nahe, wer seine zentralen antiken
Vorbilder sind : Catull, Horaz und Martial. Catull kommt dabei die vielleicht wich-
tigste Stellung zu, weil die in seinem liber erkennbaren metrischen und gattungsspe-
zifischen Schwerpunkte (äolische Maße, Spott- und Hochzeitsgedichte, Epigramme)
dem Profil von de Roos Sammlung sehr nahe stehen. Der Umgang mit dieser lite-
rarischen Tradition ist überaus kreativ. Der Autor erweist sich v.a. als Meister in der
Kreuzung verschiedener Gattungen und Vorbilder. Die Invektive gegen einen Labie-
nus (In Labienum, Bl. Iirv) kombiniert etwa die Angriffslust der Spottgedichte Catulls
mit moralischen Reflexionen und Lebensweisheiten, wie wir sie häufig in den Oden
des Horaz finden. Moralische Bedenken und religiös motivierte Vorbehalte dürften
übrigens ausschlaggebend dafür sein, dass de Roo von allen Sujets und Motiven, die
er bei den drei als Vorbildern genannten Dichtern vorfindet, ausgerechnet jene aus-
spart, die in den Bereich der Erotik führen. Auch die in den Hochzeitsliedern wie-
derholt propagierten Grundsätze christlicher Sexualmoral gehen in ihrer Vehemenz
über das hinaus, was die Topik des Epithalamiums üblicherweise bietet.
Die Adressaten der Gedichte sind neben Ferdinand II. (Bl. Fiiiirv, Hiiiv–Iir) und
einigen wenigen anderen einflussreichen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens
(etwa den Statthaltern Grafen Georg und Schweikart Helfenstein auf Bl. Liiir und
Liiiirv oder dem Hofkammerrat Erasmus Heidenreich auf Bl. Mirv) vorwiegend Kol-
legen des Autors, die mit ihm gemeinsam als Sänger in der Hofkapelle des Erzher-
zogs angestellt oder in deren Umfeld tätig waren (Senn 1954, 100–135). Manchmal
werden Personen aus dem kulturellen Leben nicht direkt angesprochen, bleiben
aber trotzdem präsent, so z.B. der Geist des verstorbenen Dichters Johannes Putsch
in einem Gedicht, das de Roos Ankunft in Innsbruck zum Thema hat und „an den
Höttinger Berg und die Orte in der Nähe der Stadt Innsbruck“ (Ad Haetinium
montem et loca circum vicina civitati Aenipontanae) gerichtet ist (Bl. Kiiv) :
Haetinii colles et mons sublimior illis
Quique pater dulci Ticio fonte cadis,
Quos Aganippaeis sacravit rite Deabus
Buciades huius buccina prima loci,
Accipite ex veteri Boiorum sede locisque
Egressum, quibus est inclyta Praga caput.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593