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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Seite - 263 -
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Dichtung 263 Originalität Tradition des Lehrgedichts Du lass jedoch nicht zu, dass die Knaben ihren Körper vor der Zeit auf die Beine stützen. Häufig hat dies ganz allein den Unvorsichtigen geschadet : Die schwachen Beine mit ihren fast noch wächsernen Knochen sprangen unter dem Druck des schweren Gewichts aus ihrer Stellung und gaben der Schwere der Last nach. Daher krümmen sich die Schienbeine und verformen sich in verschiedener Weise. Häufig sehen dann auch die Knie nach innen, reiben sich aneinander und bringen – ein hässlicher Anblick – stolpernde Schritte hervor. Originell ist Alessandrinis Gedicht im Rahmen der genannten Diskurse insofern, als es zum einen das erste der wenigen Lehrepen zu einem derartigen Thema sein dürfte20 und zum anderen (wenn auch unter Beschränkung auf die ersten Lebens- jahre und mit einem klaren Schwerpunkt auf dem medizinischen Aspekt) Pädiatrie und Pädagogik zwanglos miteinander vereint. Als Gedicht orientiert die Paedotrophia sich inhaltlich wie formal an der Tra- dition des antiken Lehrepos, die seit dem 15. Jh. immer intensiver rezipiert und imitiert wird,21 besonders an ihrem bedeutendsten Vertreter Vergil mit seinen Ge- orgica. Aus ihm und seinen Nachfolgern übernimmt Alessandrini neben einer Fülle sprachlicher Wendungen lehrepische Bauformen aller Art, von der Widmung an einen hochgestellten Adressaten über Exkurse und Mythenerzählungen bis hin zu im eigentlichen Sinne didaktischen Argumentations- und Darstellungsmustern wie der Beglaubigung durch Autopsie oder dem Katalog. Besonders spezifische An- leihen bei Vergil sind die weltgeschichtliche Einlage und der Skythenexkurs der Paedotrophia, bei denen man gleich an die entsprechenden Passagen der Georgica (georg. 1,125–159, 3,349–383) denkt, sowie die abschließende Beschreibung des verwüsteten Europa, die sich an Vergils Klage über das vom Bürgerkrieg verheerte Italien zu Ende seines ersten Buches (georg. 1,461–514) anlehnt. In der ersten und dritten dieser Passagen drückt sich dabei auch eine Weltsicht aus, die derjenigen der Georgica in vielem ähnelt : Die Welt wird von einer natürlichen Tendenz zur Verschlechterung beherrscht, ihre Ordnung droht ständig ins Chaos zu kippen ; nur wenn der Mensch sich dem mit aller Kraft entgegenstemmt, kann er auf Erfolg hoffen. Darüber hinaus lässt der Europa-Exkurs, der die weitreichenden Folgen einer falschen Erziehung drastisch vor Augen führt, auch ein dem vergilischen ver- wandtes Gattungsverständnis erahnen : Beide Autoren behandeln ein Thema von scheinbar geringer Dignität, lassen aber durchblicken, dass dieses in Wirklichkeit höchst bedeutsame Implikationen hat. Vergil auf diese Art zu lesen und zu imitie- ren könnte Alessandrini von seinem Freund und Kollegen Girolamo Fracastoro 20 Die recht bekannten, erstmals 1584 in Paris gedruckten Paedotrophiae libri tres des Scévole de Sainte-Marthe könnten, wie die Titelgleichheit nahelegt, von Alessandrinis Werk angeregt sein. 21 Grundlegend zum nlat. Lehrgedicht ist Ludwig 1982 ; vgl. auch CNLS 2, 38–45.
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
TYROLIS LATINA
Untertitel
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Band
1
Autoren
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Herausgeber
Karlheinz Töchterle
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
602
Schlagwörter
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Šubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Šubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
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