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268 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Überlieferung und
Darstellung Anlass diverse Festaufführungen, die besonders prunkvoll inszeniert waren und oft
eine Möglichkeit zur Huldigung an bedeutende Persönlichkeiten gaben. Im Re-
gelfall wurde jedes Jahr ein neues Stück gespielt, dessen Produktion entweder dem
Lehrer der Rhetorica, der höchsten Klasse, oder seinem Kollegen aus der Humanitas,
der zweithöchsten Klasse, oblag. Normalerweise war es dann auch derselbe Lehrer,
der das von ihm geschriebene Stück mit Schülern aus allen Klassen einstudierte.
Die Namen dieser Dichter-Regisseure blieben in der Regel ungenannt. Bei einem
Großteil der Stücke ist der Verfasser auch nicht mehr zu eruieren. Da möglichst
viele Schüler – wenn auch nur als Statisten – eingebunden wurden, waren mehrere
Dutzend Schauspieler ein Minimum. Es konnten aber auch einmal, wie das zweite
der unten besprochenen Katharinendramen zeigt, über 200 werden. Durch inno-
vative und experimentierfreudige Inszenierungen hatte das Jesuitentheater großen
Erfolg beim Publikum. Weil sicher nicht alle Zuschauer der lateinischen Rezitation
im Detail folgen konnten, wurden seit dem 17. Jh. Programmhefte, sogenannte Pe-
riochen, mit meist volkssprachlichen Inhaltsangaben verteilt, die auch als Quellen
wichtig sind. Das Jesuitentheater entwickelte sich rasch zu einer Institution, die das
kulturelle Leben der Frühen Neuzeit bis zur Aufhebung des Ordens im Jahr 1773
entscheidend mitprägte. In Tirol war es während dieser Zeit die bedeutendste The-
aterinstitution überhaupt (Valentin 1978 ; Wimmer 1982).
Jesuitendramen wurden i.A. weniger als Kunstwerke denn als Schulübungen ver-
standen. Deshalb ist nur ein sehr geringer Prozentsatz an Stücken hs. überliefert,
Drucke sind eine große Ausnahme. Allein in Innsbruck gibt es von 1563 bis 1773
– einschließlich aller kleineren, zu verschiedenen Anlässen aufgeführten Dramen –
über 400 Spielbelege, aber nur 45 Texte (darunter einige deutsche) sind erhalten.
Auf den relativ kurzen in diesem Kapitel behandelten Zeitraum von 1563 bis 1595
fällt dabei die verhältnismäßig große Zahl von zehn erhaltenen lat. Texten, was u.a.
durch das besondere Interesse Erzherzog Ferdinands II. am Jesuitentheater zu er-
klären ist. Ein vollständiger und perfekt ausbalancierter Überblick über das vorhan-
dene, thematisch wie formal vielfältige Material ist hier wie auch in den folgenden
Theaterkapiteln aber nicht beabsichtigt. Vieles ist noch nicht aufgearbeitet, eine
detaillierte Studie aller verfügbaren Texte und Dokumente zum Jesuitendrama in
Tirol könnte nur im Rahmen eines eigenen Forschungsprojekts geleistet werden.1
Ich werde mich deshalb auf große Linien und ausgewählte Beispiele beschränken.
1 Außer den Stücken, die in diesem Kapitel eigens besprochen werden, sind aus dieser Epoche noch
die folgenden vollständig überliefert : 1585 : Dialogus de literarum studiis (nicht bei Valentin), SEM,
B 18, Bl. 115v–131v ; 1587 (1588 ?) : Comoedia de Tribus Regibus (Valentin, Nr. 271), BSB, Cod.
24657, Bl. 963r–997r ; 1590(?) : Dialogus brevis pro instauratione studiorum (nicht bei Valentin),
SEM, B 19, 159v–179v ; 1591 : Tragicomoedia de Sancto Vito Martyre (Valentin, Nr. 309), ÖNB,
Cod. 13192.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593