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Theater 279
ditationsbücher7 zu vollenden. Sonhovius wurde von der Ordensleitung die Auf-
gabe anvertraut, Nadal bei der Abfassung dieser Bücher zu unterstützen. Nebenbei
zeichnete er mit seinem Katharinenstück für die aufwendigste und spektakulärste
der drei hier besprochenen Inszenierungen verantwortlich. Die Spieldauer betrug
nach den Auskünften der historia domus (Bd. 1, 21) und der Provinzgeschichte
Agricolas (Agricola/Flottus/Kropf, Historia provinciae, Bd. 1,178) acht Stunden
(wobei zu bedenken ist, dass die im Vorjahr gespielte Version auch schon sechs
Stunden dauerte). Über 200 Schauspieler sollen mitgewirkt haben, also fast die
gesamte damalige Schülerschaft des Gymnasiums. Aller Wahrscheinlichkeit befan-
den sich darunter übrigens auch Jacob Gretser (1562–1625 ; vgl. hier S. 269) und
Matthäus Rader (1561–1634 ; vgl. hier S. 503), die damals das Innsbrucker Jesui-
tengymnasium besuchten und später zu literarischen – und auch selbst dramatisch
tätigen – Glanzlichtern ihres Ordens wurden. Für ein Drama dieses Maßstabs ist
eine Freilichtaufführung anzunehmen, wie überhaupt wahrscheinlich alle größe-
ren Innsbrucker Stücke dieser Zeit im Freien stattfanden, entweder im Hof der
Burg oder des Kollegs (Zwanowetz 1981, 24). Auch der Text der Catharinias fällt
aus dem Rahmen, da er über weite Strecken neben dem Trimeter (bzw. gelegentli-
chen Senaren) den Hexameter als Sprechvers verwendet – daher auch der auf -ias
ausgehende epische Titel, nach dem Muster etwa von Il-ias. Der Hexameter als
Sprechvers, entweder durchgängig oder streckenweise, ist im frühen Jesuitendrama
nicht ganz ungewöhnlich (Dürrwächter 1896, 11–13). Der italienische Jesuit Ste-
fano Tucci hat ihn z.B. in seinem seit der Erstaufführung 1569 auf vielen Bühnen
gespielten Christus iudex („Christus, der Richter“) verwendet. Der Hauptgrund für
Sonhovius’ Hexameter sind aber seine Anleihen bei der damals weit verbreiteten
epischen Nacherzählung der Katharinenlegende durch Baptista Mantuanus (1448–
1516). Bei dieser 1489 erstmals gedruckten Erzählung handelt es sich um die zweite
von sieben Dichtungen des Mantuanus auf christliche Jungfrauen, daher der Titel
Parthenice secunda sive Catharinaria („Zweite Jungfrauendichtung oder Kathari-
nengedicht“ ; vgl. die Edition in Orbán 1992, Bd. 2, 363–435). Sonhovius ‚kreuzte‘
dieses Vorbild gewissermaßen mit dem Innsbrucker Katharinendrama des Vorjahrs.
Darüber hinaus dichtete er aber noch viel Eigenes hinzu, sodass im Grunde ein
neues Drama entstand. Neben Baptista Mantuanus ist Vergil das Hauptvorbild in
der Formung der Hexameter. Ein besonders auffälliger Anschluss an Vergil sind die
spectacula (V.
1066) am Ende der siebten Szene des dritten Akts, die nach dem Mus-
7 Die zwei betreffenden, aufeinander bezogenen Werke erschienen erst knapp 20 Jahre später im
Druck : Evangelicae historiae imagines („Bilder der Geschichte des Evangeliums“ ; Antwerpen 1593) ;
Adnotationes et meditationes in Evangelia („Bemerkungen und Meditationen zu den Evangelien“ ;
Antwerpen 1594) ; vgl. hier S. 342.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593