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306 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog FerdinandsÂ
II. von Tirol (1595)
studentische
Lebenswelt scelus ipse deinceps hoc modo patefecit : Erat iuvenis occisi corpus bene carnosum et satis pingue,
adeo ut artocopus truculentus ex illo in frusta dissecto artocreas conficere minime dubitaret.
Quarum aliquot suaviter piperatas cum pro bonis aliquandiu vendidisset, tandem cuiusdam
medici (qui forte fortuna partem artocreae istiusmodi comederat) iudicio et sermone diffamatus
id crimen ipsum confessus fuit. Simul hoc etiam addidit se ante Polonum trucidatum multas ex
felium carne artocreas confecisse ; quas cum antehac tuto et magno precio pluribus vendidisset,
se hac re audaciorem factum etiam carnes humanas artocreis addere voluisse, praesertim cum
existimaret totum ipsius Poloni cadaver a se nullo in loco ita supprimi posse, ut non brevi repe-
riretur.
Und ebendiese [sc. die Meinung, ausländische Studenten seien in der Regel reich] riss auch
einen Pariser Bäcker dazu hin, mithilfe seiner Frau seinen Kostgänger, einen reichen polni-
schen Studenten, und dessen Diener zu ermorden. Dieses Verbrechen brachte er nachher
selbst folgendermaĂźen ans Tageslicht : Der ermordete junge Mann war von ordentlich flei-
schigem und recht fettem Körperbau, sodass der verrohte Bäcker keineswegs zögerte, ihn
zu faschieren und zu Pasteten zu verarbeiten. Nach einiger Zeit, als er bereits einige davon
fein gewürzt verkauft hatte, als ob sie aus gutem Fleisch wären, wurde er endlich durch das
sachkundige Urteil und die Darlegungen eines Arztes, der zufällig einen Teil einer solchen
Pastete gegessen hatte, angeprangert und gestand auch das Verbrechen selbst ein. Dabei
erzählte er außerdem, er habe vor dem Mord an dem Polen viele Pasteten aus Katzenfleisch
gemacht ; dadurch, dass er diese frĂĽher stets ohne Schwierigkeiten teuer verkauft habe,
sei er kĂĽhner geworden und habe nun auch Menschenfleisch zu den Pasteten dazugeben
wollen, zumal er der Ansicht gewesen sei, die Leiche des Polen als Ganzes nirgends so gut
verstecken zu können, dass sie nicht bald gefunden würde.
Während bei solch spektakulären Fällen die Frage nach ihrer Realität wohl offen
bleiben muss, entstammen viele andere Beispiele und Illustrationen dem realistisch
geschilderten Alltagsleben. Das Bild, das sich aus ihnen ergibt, ist alles andere als
erbaulich : BetrĂĽgerische Wechselkurse (Bl. 343rv), ĂĽberteuerte BĂĽcher (Bl. 342r),
erniedrigende studentische Initiationsriten (Bl. 346v–347r), schlecht bezahlte (Bl.
341r–342v) und verantwortungslose (Bl. 358v–359r) Professoren, sadistische Nacht-
wächter (Bl. 355r–356v), bornierte Bürgersfrauen (Bl. 362v–365r) – Geizkofler
entwirft ein dĂĽsteres Panorama der studentischen und gelehrten Lebenswelt im
ausgehenden 16. Jh. Sein Werk wird auf diese Weise auch zu einer bildungs- und
sozialgeschichtlichen Quelle ersten Ranges.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593