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Geschichtsschreibung 311
Antikerezeption
Sprache
Giano Pirro
Pincio
kleinere Werke
Durch zahlreiche Anspielungen und Vergleiche mit antiken Gegebenheiten
möchte der Autor seine klassische Bildung beweisen : Vom platonischen Gemeinbe-
sitz (1,6) ist ebenso die Rede wie von der Brutalität Spartas (2,9), von den Rednern
Demosthenes und Aischines (2,17) oder vom schwierigen Weg zwischen Skylla und
Charybdis (1,8), auf den sich der Trientner Hauptmann Franciscus de Castroalto
zwischen Bauern und Adeligen machen muss.
Die Sprache des Werkes zeichnet sich durch intensiven Gebrauch von Partizipien
aus. Die Sätze werden lang und blockhaft, es gibt kaum kunstvolle Perioden. Oft
werden mehrere Ablativus absolutus-Konstruktionen aneinandergereiht. Bewusste
Stilisierung findet sich etwa zu Beginn der Rede des Castroalto (1,8), die mit einem
Zitat aus Lucan. 1,8 (quis furor, o cives, quae tanta licentia ferri?) beginnt. Neben sti-
listischen Merkmalen gibt es auch im Lexikon eindeutige Neolatinismen : Die Zeit
wird ad oroscopum italicum (1,4) gemessen, araldus (1,7 ; „Bote“) steht für nuntius,
campanea (2,6) ist das Dorf. Nicht klassisch belegt sind z.B. auch currus calcarius
(2,3), superequitare (2,13), spletum (2,14) und subtaceo (2,18).
Der bedeutendste Trientner Geschichtsschreiber des 16. Jhs., Giano Pirro Pin-
cio († 1546), wurde in Mantua geboren und ging zu Studienzwecken nach Vene-
dig, von wo er 1509 als Grammatiklehrer nach Trient kam. Im September 1515
hielt er dort die feierliche Rede im Rahmen der Primiz Bernhards von Cles (vgl.
hier S. 282–283) als Bischof und tat sich auch als epischer Dichter hervor (vgl.
hier S. 236). Am umfangreichsten ist jedoch sein historisches Hauptwerk De vitis
Pontificum Tridentinorum libri XII („Leben der Bischöfe von Trient in zwölf Bü-
chern“ ; gedruckt 1546 in Mantua bei Rufinelli), das ihn bis zu seinem Tod 1546
in Trient beschäftigte (vgl. Gasser 3, 80–81 ; Benvenuti 1994–1998, Bd. 4, 94 ;
Šubarić 2001, 110–111).
Um seinen Plan zu verwirklichen, die ganze Geschichte Trients entlang der Le-
bensbeschreibungen seiner Bischöfe zu entwickeln, musste Pincio dem Hauptwerk
im Druck zwei kleinere Werke voranstellen : In De gestis ducum Tridentinorum
(„Über die Taten der Herzöge von Trient“) geht es um die Ereignisse in Trient unter
der Langobardenherrschaft, wobei Paulus Diaconus als Hauptquelle auszumachen
ist. Die Darstellung ist recht gedrängt, allein die Geschichte der 680 ausbrechenden
Revolte gegen König Perctarit unter Herzog Alachis von Trient (vgl. Paulus Diaco-
nus, hist. Lang. 5,36–41) fällt detaillierter aus. Die zweite Schrift, De origine urbis
Tridentinae („Über den Ursprung der Stadt Trient“), beginnt mit den verschiedenen
Theorien zur Gründung Trients, bespricht die römische Vergangenheit und schließt
mit einer allgemeinen geographischen Beschreibung der Stadt.
Die zwölf Bücher De vitis Pontificum Tridentinorum folgen streng chronologisch der Rei-
henfolge der einzelnen Bischöfe von den Anfängen bis herauf zu Bischof Bernhard von
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593