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338 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Briefe von Tiroler
Humanisten an
Vadian
Verfasser, Inhalte Seligster Bischof, mein allerehrwürdigster Herr,
Nach Küssen für Eure seligen Füße meine demütigste und ergebene Ehrerbietung. Alles,
was der gegenwärtige Stand der Dinge erfordert, wollte ich entsprechend meinem im-
merwährenden Wohlwollen und meiner Dienstfertigkeit gegen den Staat und die hoch-
berühmte Familie Farnese, da es mir persönlich nicht möglich ist, durch meinen Sekretär,
der dieses Schreiben überbringen wird, Eurer Seligkeit kundgetan haben. Daher wird sie
geruhen, ihn anzuhören und aufgrund seines Berichts das zu beschließen, was mit dem
Nutzen des Staates und der ruhmreichen Empfehlung Eurer Seligkeit verbunden ist. Bis
dahin kauere ich mich überaus demütig zu ihren Füßen nieder und empfehle mich aufs
Ergebenste. Trient, 5. August 1546.
Trug die amtliche Korrespondenz der Höfe u.a. dazu bei, dass man innerhalb Eu-
ropas politisch auf dem Laufenden und miteinander in Kontakt blieb, so kam dem
stetig anschwellenden privaten Briefverkehr unter den humanistisch Gebildeten
eine ähnliche Funktion in geistesgeschichtlicher Hinsicht zu. Er verbreitete, oft
etablierten Handelsrouten folgend, neue Ideen landauf, landab und trug sie auch
in Gebiete, die wie Tirol nicht unbedingt Brennpunkte des geistigen Lebens wa-
ren. Dieser Umstand verleiht Korrespondenzen zwischen bedeutenden Gestalten
der europäischen Geistesgeschichte und Tirolern ein besonderes Interesse. Leider
sind viele der betreffenden Briefwechsel noch unzureichend oder gar nicht erschlos-
sen. Eine erfreuliche Ausnahme stellt in der vorliegenden Epoche die Korrespon-
denz des St. Galler Humanisten und Reformators Joachim von Watt (1484–1551)
dar, der besser unter seinem latinisierten Namen Vadian(us) bekannt ist (vgl. etwa
BBKL 12, 1003–1013). Die weit über tausend Briefe von und v.a. an ihn, die
größtenteils in der Stiftsbibliothek St. Gallen erhalten sind, wurden schon um die
vorletzte Jahrhundertwende ediert (Arbenz/Wartmann 1890–1913). Unter ihnen
finden sich 14 lat. Briefe aus dem Tiroler Raum an Vadian, wenn auch leider keine
seiner Antworten. Diese Schreiben illustrieren nicht nur die Kontakte, die zwischen
Tiroler Intellektuellen und einem herausragenden Humanisten bestanden, sondern
sind auch religionspolitisch brisant : Vadian bekannte sich seit 1523 offen zur Re-
formation und hatte an ihrer Durchsetzung in St. Gallen entscheidenden Anteil,
während die reformatorischen Bestrebungen in Tirol bekanntlich mit Gewalt un-
terdrückt wurden.
Die 14 lat. Briefe2 verteilen sich chronologisch auf die Zeiträume 1515–1518
(fünf Briefe), 1526–1527 (drei) und 1540–1544 (sechs), geographisch auf Hall
2 Nachfolgend eine chronologisch geordnete Übersicht (in Klammern jeweils die Nummer bei Arbenz/
Wartmann 1890–1913) : Johannes Dantiscus, Hall, 2. 10. 1515 (Nr. 55) ; Sebastian Reinald, Hall,
26.
10. 1515 (Nr. 56) ; Riccardo Bartolini, Innsbruck, 31. 3. 1516 (Nr. 62) ; Erasmus Strenberger, Trient,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593