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Theologie 345
gegen Erwach-
senentaufe und
Anabaptisten
zweiter Hauptteil
Hinweise darauf, dass ja auch die Beschneidung an Kindern durchgeführt werde
und dass sich ein Kind den Namen, den es bei der Geburt bekomme, auch nicht
aussuchen könne, spiegeln v.a. das Denken des Juristen wider.
Den Standpunkt der Anabaptisten, wonach aktiver Glaube eine essentielle Vo-
raussetzung der Taufe sei, die Kindern noch fehle, weshalb die Kindertaufe wir-
kungslos bleibe, referiert Dick zunächst recht neutral. Allerdings streut er in sein
Referat immer wieder bissige Bemerkungen gegen die Täufer i.A. ein : Sie seien rohe
Menschen, denen es an Sensibilität und echter Frömmigkeit fehle, und gefährdeten
die Einheit der Kirche. Gegen Ende hin konzediert er, es gebe in der Bibel keine
Stelle, die eindeutig für die Kindertaufe spreche, allerdings lasse sich diese durch
die Schrift auch nicht widerlegen. Als indirekte Belege für sie hätten deshalb die
einschlägigen Äußerungen so qualifizierter Befürworter wie Origenes, Augustinus,
Cyprian und Chrysostomos zu gelten.
Der zweite, kürzere Hauptteil (Bl. 35v–47r) wirkt inkonsistent. Zunächst scheint
Dick die Ansicht zu vertreten, die Obrigkeiten sollten von einer undifferenzier-
ten Bestrafung der Täufer absehen und stattdessen durch Überzeugungsarbeit eine
Umkehr bewirken. Viel Raum wird dabei einem Bekenntnis zu Frieden und Ruhe
gewidmet, bei dem neben dem religiösen Anliegen der politische Aspekt im Mittel-
punkt steht. Dann jedoch werden in unsystematischer und emotionaler Weise be-
reits im ersten Teil vorgebrachte Aussagen zum Wesen der Taufe wiederholt und an
ihnen der Irrtum der Wiedertäufer veranschaulicht. Diese werden dabei nicht mehr
nur als Verfechter eines abweichenden theologischen Standpunktes behandelt, son-
dern in jeder Hinsicht negativ dargestellt. Besonders hervorgehoben wird ihre Un-
beugsamkeit, aufgrund derer indutiae (Bl. 37v ; „Waffenstillstand“) ausgeschlossen
erscheinen. Danach entsinnt sich Dick wieder des humanen Standpunktes, zu dem
er sich davor bekannt hat, und gibt den Obrigkeiten zu bedenken : Nicht alle Täu-
fer hätten sich der Bewegung aus freien Stücken angeschlossen, bei manchen habe
Unwissenheit oder charakterliche Labilität den Ausschlag gegeben, sie hätten das
Gedankengut nicht wirklich verinnerlicht. Mit diesen gelte es nachsichtig zu sein,
zumal wenn sie auf Versuche der Unterweisung, die im Geiste Christi unternom-
men werden sollten, ansprächen. Jene aber, die unbeugsam blieben und geistliche
wie weltliche Obrigkeit in Frage stellten, müssten mit dem Tod bestraft werden. Be-
sonders skandalös sei es, wenn Geistliche selbst sich der Bewegung anschlössen. Als
Jurist warnt Dick die Richter unter reichlichen Verweisen auf einschlägige Literatur
vor übereiltem und unkritischem Vorgehen, wobei er auch die im Einzelfall jeweils
unterschiedlichen Zuständigkeiten geistlicher und weltlicher Dikasterien betont.
Gegen Ende tritt jedoch wieder die Schwere des Vergehens, dessen sich die Wieder-
täufer schuldig machen, in den Vordergrund (Bl. 47r) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593