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358 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
Horoskope
Botanik gredi est perinde ac si apud Italicos Teutonice loquamur. Invertuntur enim et confunduntur
termini scientiarum, quum sua nomina mutantur.
Ich werde, sagte ich, das Thema in einfacherem Stil angehen, der nicht voll von der fal-
schen Schminke der Beredsamkeit ist, weil sich die Sache selbst einer Ausschmückung
verweigert und zufrieden damit ist, gelehrt zu werden, und weil diese astrologische Diszi-
plin ihre eigenen Begriffe hat, die zu überschreiten so wäre, als ob wir bei den Italienern
Deutsch redeten. Denn die Begriffe der Wissenschaften werden durcheinander geworfen
und in Unordnung gebracht, wenn ihre Ausdrücke verändert werden.
Die Polemik ihrer Gegner tat der Beliebtheit der Astrologie jedoch keinen Abbruch.
Horoskope etwa wurden massenweise produziert. Um diesen Glaubwürdigkeit beim
Publikum zu verschaffen, mussten die Astrologen dabei ihre Vorhersagen bekann-
ten Tatsachen anpassen. Schön sieht man das etwa am Beispiel Erzherzog Ferdi-
nands II., für den seit seiner Geburt mehrere Horoskope erstellt wurden. Während
das 1556 vom königlichen Astrologen Paulus Fabricius (1529–1588) erstellte Ho-
roskop dem Erzherzog eine gute Ehe in Aussicht gestellt hatte (TLMF, FB 32089,
Bl. [1]r–[14]v), attestierte ihm das 1567 von Cyprianus Leovitius (1529–1574) an-
gefertigte zwar grundsätzlich Ehefähigkeit und Fruchtbarkeit, unterstrich aber, dass
die Konstellation zum Zeitpunkt seiner Geburt Ferdinand daran hindern würde,
jemals eine legitime Ehe einzugehen (TLMF, FB 32089, Bl. 16v–[51]r ; vgl. Abb. 46,
Farbtafel 12). Leovitius weigerte sich, über illegitime Verbindungen und eventuelle
Kinder aus ihnen zu schreiben, mit der Begründung, dass diese nicht Gegenstand
astrologischer Forschung sein könnten. Dies spiegelt offensichtlich Ferdinands per-
sönliche Situation zum fraglichen Zeitpunkt wider : Nachdem er 1557 eine nicht
standesgemäße Ehe mit Philippine Welser eingegangen war, wurde die Ehe geheim
gehalten, zuerst auf Wunsch Ferdinands selbst, seit 1561 auf Befehl des Kaisers ;
Philippine war als „Beywohnerin“ bzw. Konkubine bekannt, während Ferdinand
öffentlich vorgab, an einer Ehe kein Interesse zu haben. Erst im Jahr 1575 ent-
band Papst Gregor XIII. das erzherzogliche Paar von der Geheimhaltungspflicht,
wodurch die Ehe mit Philippine und die gemeinsamen Söhne legitimiert wurden.
Zu den Bereichen der Naturkunde, auf denen im 16. Jh. intensive Forschungen
betrieben wurden, zählt auch die Botanik. Die materia medica (der Vorrat an Sub-
stanzen, derer sich die gelehrte humoralpathologische Medizin zur Herstellung von
Heilmitteln bediente) setzte sich hauptsächlich aus pflanzlichen, zu einem kleineren
Teil auch aus tierischen und mineralischen Substanzen zusammen. Die intensive
Auseinandersetzung der Ärzte und Philologen mit den medizinischen Schriften der
Antike führte dabei zu dem Wunsch, alle darin beschriebenen Medikamente wieder
für die Medizin nutzbar zu machen. Dazu mussten ihre Bestandteile, die simplicia,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593