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364 Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands
II. von Tirol (1595)
inhaltliche
Schwerpunkte
Diarium medicum
Handsch
Aufbau dafür Sorge tragen, dass Sie unmittelbar, nachdem Sie die Tafel verlassen hat, durch Erbre-
chen den Magen entlaste.
Als sprachlich besonders geschickt gewählt erweist sich hier – wie auch an ande-
ren Stellen – die Verwendung des iussiven Futurs, welches neben der eigentlichen
Aufforderung auch die Zuversicht ausdrückt, dass diese erfüllt werden wird. Somit
wird bereits sprachlich signalisiert, dass es sich eigentlich um einen obsoleten Rat-
schlag handle, da der Erzherzog ohnehin wisse, was er zu tun habe.
Trotz aller stilistischer Finessen zeigt die inhaltliche Gewichtung der Schrift deut-
lich, dass sich Alessandrini und Mattioli in ihrem Befund den Aussagen ihrer Vor-
gänger Emricus und Brassavola anschließen. Die beiden Kapitel De cibo et potu sowie
De repletione et inanitione umfassen beinahe die Hälfte der Schrift. Der (subtile)
Tenor in besagten Abschnitten ist erwartungsgemäß, dass sich Ferdinand beim Essen
und Trinken einschränken bzw. seine Mahlzeiten besser gestalten müsse. Zu diesem
Zweck wird eine detaillierte Liste mit Speisen und Getränken angeführt, die empfeh-
lenswert bzw. unbedingt zu vermeiden seien. Die Ratschläge in den anderen Kapiteln
regen zu vermehrten Aufenthalten in wärmeren Klimazonen, geregelten Ruhezeiten,
Leibesübungen (allerdings nicht nach den Mahlzeiten) und mäßigem Besuch von
Bädern an. Außerdem solle der Fürst darauf achten, Kummer, Ärger und Stress von
sich fernzuhalten. Schließlich wird eine Reihe von Medikamenten angeführt, welche
dem Erzherzog bei seinen verschiedenen Beschwerden Linderung verschaffen sollen.
Den umfangreichsten und detailliertesten Einblick in die Krankengeschichte
Ferdinands und der gesamten erzherzoglichen Familie gewährt das Diarium medi-
cum de archiduce Ferdinando Tirolensi eiusdem coniuge Philippina Welser et Andrea et
Carolo filiis („Medizinisches Tagebuch über Erzherzog Ferdinand von Tirol, seine
Frau Philippine und seine Söhne Andreas und Karl“ ; ÖNB, Cod. 11204) aus der
Feder des Georg Handsch von Limusa (1529–nach 1578; ADB 49, 749–751).
Der 1529 geborene Handsch besuchte die Lateinschule in Goldberg und Prag,
wo er sich bereits als vielseitig begabter junger Mann zu erkennen gab. Ab 1550
studierte er in Padua, Venedig und Pisa Medizin. Drei Jahre später kehrte er als
Lehrer an die erzherzogliche Pagenschule nach Prag zurück. Finanzielle Probleme
ließen ihn an Pietro Andrea Mattioli schreiben. Mattioli, der um die schriftstelle-
rische Fertigkeit Handschs wusste, übertrug ihm daraufhin die Fertigstellung einer
deutschen Version seines Dioskurideskommentars (vgl. hier S. 360). 1568 beerbte
Handsch Mattioli, der sich in den Ruhestand zurückzog, übersiedelte nach Tirol
und rückte in den Rang eines Leibarztes vor. In dieser Zeit beginnen auch seine
Aufzeichnungen zum Gesundheitszustand der erzherzoglichen Familie.
Das Diarium ist im Wesentlichen ein Krankentagebuch mit Notizen und Auf-
zeichnungen über die gesundheitliche Verfassung der Familie, über angewandte
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593