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394 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Klöster für diese Umstrukturierung des Bildungssystems ist das Beispiel von Hall, wo der
Lateinschulmeister sich nach der Ankunft der Jesuiten auf die Ausbildung der Sing-
knaben und die Leitung des Pfarrchors verlegte (vgl. Senn 1938, 223). In Trient
bekamen die Jesuiten im Schulwesen seit Beginn des 17. Jhs. eine gewisse Konkur-
renz durch die Somasker (vgl. De Finis 2002, 639), doch traten diese kaum mit lat.
Literatur hervor. Das zunächst noch lückenhafte Schulsystem der Jesuiten wurde
laufend verbessert und komplettiert. Unter Maximilian erhielt der Orden 1606
erstmals ein eigenes Schulgebäude, das dem in den vorausgehenden Jahrzehnten
chronischen Platzmangel abhalf. Gleichzeitig wagte man einen Schritt in Richtung
universitäre Bildung. Zu den bisherigen gymnasialen Klassen der studia inferiora
kam mit Kursen in Logik und Kasuistik auch ein Teil der studia superiora hinzu, die
auf die Hochschule vorbereiteten und neue Schüler anzogen. Doch nicht nur nach
oben, auch nach unten hin wurde ausgebaut : 1615 richtete man am Innsbrucker
Gymnasium eine principia („Anfänge“) genannte vorgymnasiale Grundschule ein.
Mit der – von den Habsburgern geförderten, von den Madruzzo lange verhinderten
– Niederlassung der Jesuiten in Trient 1625 ergriff die jesuitische Bildung auch den
Süden des Landes. Dort verfügte das Gymnasium zunächst über fünf Klassen, 1627
kam die Rhetorik hinzu, 1635 eine Klasse für Logik und 1639 eine für Kasuistik.
Schließlich wurden auch in Hall 1630 die bisher bestehenden fünf Klassen durch
die wichtige Rhetorikklasse ergänzt. Die intensive Übung in der lat. Sprache führte
an all diesen Orten zu einer reichen, meist mittelmäßigen, manchmal aber auch raf-
finierten literarischen Produktion sowohl von Seiten der Schüler als auch der Lehrer
(vgl. Zwanowetz 1981 ; De Finis 1983–1984).
Während die Jesuiten das öffentliche Bildungswesen in großem Stil ausbreiteten
und modernisierten, blieben die Klöster der anderen Orden mit ihren hauseigenen
Schulen, den persönlichen Studien ihrer Bewohner und ihren (wie bei den Jesuiten
auch) weit gespannten Briefnetzen nach wie vor ein wichtiges literarisches Zentrum.
Abseits der Universitäten konnte man in den Klöstern Philosophie und Theologie
studieren. Daneben verfassten Ordensmitglieder eine Vielzahl mehr oder weniger
bemerkenswerter Arbeiten, die sich meist der lat. Sprache bedienten und deren
Spannweite schon anhand weniger Beispiele klar wird : So publizierte der Augustiner
Felice Milensio einen Traktat De quantitate hostiae („Über die Größe der Hostie“ ;
1604) über das Seefelder Hostienwunder, der Stamser Zisterzienser Wolfgang Leber-
sorg schrieb eine Chronik seines Klosters (1. Hälfte des 17. Jhs.) und Bonaventura
O’Connor, Lektor der Theologie bei den Bozner Franziskanern, schuf ein außerge-
wöhnliches theologisches Lehrgedicht in Hexametern (Helicon Theologicus ; 1658).
Das Briefcorpus des Stamser Priors Benedikt Stephani OCist (1613–1672) gibt ein
hervorragendes Beispiel für das breite Spektrum von Herausforderungen, denen sich
ein bedeutendes Kloster im Alltag dieser Zeit gegenübersah.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593