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396 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Braindrain
und ein gewisser
Ausgleich Noch stärker als in den vorausgehenden Epochen kam es in der hier behandelten
zu einer Abwanderung literarischer Talente ins Ausland. Zumindest z.T. ist das da-
rauf zurückzuführen, dass Tirol noch über keine Universität verfügte, andererseits
aber bereits von bedeutenden Hochschulen umgeben war. Auch die erst relativ spät
einsetzende Kultur des Buchdrucks und ihre anfänglich noch mangelnde Etablie-
rung wirkte sich bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jhs. aus. Als ‚Landesuniversität‘
diente weiterhin die Hochschule in dem von den Tiroler Fürsten regierten Freiburg.
Daneben waren im Norden besonders die Universitäten Ingolstadt und Dillingen,
im Osten Salzburg und im Süden Padua ein beliebtes Ziel der Tiroler Studenten.
Ein gutes Beispiel für eine Karriere, die mit einer Hochschule in Tirol vielleicht
anders verlaufen wäre, ist die des Bauernbuben Johann Thuille (1590–1631), der
mit einem landesfürstlichen Stipendium in Freiburg i.B. studieren konnte, dort an-
schließend zwei Jahre lang Philosophie unterrichtete und schließlich 1625–1631 als
Professor der schönen Künste in Padua wirkte. Bereits 1621 hatte er dort einen be-
merkenswerten Kommentar zu Andrea Alciatis Emblemsammlung drucken lassen.
Besonders auffallend ist die Reihe von Tiroler Jesuiten, die im Ausland berühmt
wurden : die Theologen Adam Tanner (1572–1632) und Paul Laymann (1575–
1635) fanden ihre Wirkungsstätte ebenso in Bayern wie der vielseitige Humanist
Matthäus Rader (1561–1634) oder der Historiker und Hagiograph Andreas Brun-
ner (1589–1650). Der Dramatiker und Lyriker Nikolaus Avancini (1611–1686)
lebte v.a. in Wien ; der Sinologe Martino Martini (1614–1661) studierte, bis er zu
seinen China-Reisen aufbrach, in Rom. Jede dieser Biographien ist natürlich für
sich zu betrachten, trotzdem bestätigt sich an ihnen das Faktum, dass Tirol mit den
großen Bildungszentren des Auslands insgesamt nicht konkurrieren konnte. Den-
noch war es auch aus internationaler Sicht für Literaten verschiedenster Prägung
nicht ganz unattraktiv. Einige der bedeutendsten Teilnehmer am Tiroler Literatur-
betrieb unserer Epoche kamen aus dem Ausland. Christoph Scheiner wurde schon
im Zusammenhang mit Erzherzog Maximilian dem Deutschmeister und Erzherzog
Leopold
V. erwähnt. Sein Ordenskollege Jakob Balde, einer der bedeutendsten nlat.
Dichter überhaupt, unterrichtete von 1628 bis 1630 in Innsbruck, führte vor Le-
opold sein Theaterstück Iocus serius theatralis („Ein ernster Scherz auf der Bühne“)
auf, schrieb während dieser Zeit mehrere seiner Oden und vielleicht auch schon
den Grundstock seiner prosimetrischen Dichtung Maximilianus Primus Austria-
cus. Der Eidgenosse Franciscus Guillimannus arbeitete in Innsbruck ebenso an der
habsburgischen Hausgeschichte wie der Neapolitaner Diego Lequile, während der
Ire Bonaventura O’Connor im Bozner Franziskanerkloster von der Muse geküsst
wurde.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593