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398 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Schuldichtung der
Jesuiten
Epigrammata den traurigen Höhepunkt der Simondichtung. Das düster-grandiose Stück sylv.
7,3 schließlich beschreibt in alkäischen Strophen einen Besuch des Bergwerks von
Schwaz als regelrechte Unterwelts- und Höllenfahrt und stellt so ein Gegenstück
zur Haller Himmelsreise dar. So verlockend es wäre, auf all dies näher einzugehen
und damit zugleich einen großen Namen wenigstens teilweise für Tirol zu reklamie-
ren, so gewichtig sind die Gründe, die gegen ein solches Vorgehen sprechen. Baldes
Werk ragt nicht nur qualitativ weit über das hinaus, was sonst in Tirol auf dem
Gebiet der Dichtung geleistet wurde, es ragt auch sozusagen als Fremdkörper in die
Tiroler Poesie hinein : weder knüpft Balde spezifisch an diese an, noch wurden seine
poetischen Texte ihrerseits in Tirol intensiv rezipiert. Ihre angemessene Analyse und
Würdigung würde den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen und ist zudem,
anders als bei der restlichen Tiroler Dichtung der Zeit, in einigen Aufsätzen von
Karlheinz Töchterle zumindest teilweise bereits geleistet. Auf diese sei deshalb hier
pauschal verwiesen.2
Die lat. Dichtung wurde in den Poesie- und Rhetorikklassen der Jesuitengymna-
sien intensiv geübt (Duhr 1896, 243–254). Aus dem Innsbrucker Kolleg, wo diese
beiden Klassen fast während des ganzen hier behandelten Zeitraums bestanden,3
haben sich eine Hs. mit einem Querschnitt durch das Übungspensum einiger Rhe-
torikklassen sowie zwei Hefte einzelner Schüler erhalten.
Bei der erstgenannten handelt es sich um die 270 Seiten starke Hs. TLMF, Dip.
473/2 mit den Epigrammata composita ab auditoribus rhetorices Oeniponti annis
1610, 1611, 1612 et 1613 („Epigramme, welche die Schüler der Rhetorikklasse in
Innsbruck in den Jahren 1610, 1611, 1612 und 1613 verfasst haben“), die eine
wohl nach qualitativen Gesichtspunkten getroffene Auswahl aus der poetischen
Produktion dieser Jahre darstellen. Wie der Titel angibt, handelt es sich dabei zum
größten Teil um Epigramme in Distichen oder allenfalls um kürzere Elegien – ein
Schwerpunkt, welcher mit der Dominanz des elegischen Distichons in der lat.
Dichtung der Zeit generell in Einklang steht. Seltener begegnen Hendekasyllabi,
noch seltener (katalektische) jambische Dimeter (82, 86, 89–90, 132) und Trimeter
(256), Hexameter (133–134, 255–260) sowie Prosa im Inschriftenstil (98). In der
Regel findet sich zu ein und demselben Thema gleich eine ganze Serie von Gedich-
angabe qua se Tirolis ultimo pandit iugo (V. 11 ; „wo sich Tirol mit seinem letzten Gebirgskamm
erstreckt“) v.a. aus Nordtiroler Perspektive besser auf Trient als auf Rinn zutrifft, doch nennt Balde,
wohl um die antijüdische Aussage zu verallgemeinern, keine Namen.
2 Töchterle 1997 (alle Tirolensien) ; 2002 (lyr. 3,8) ; 2006 (Maximilianus Primus Austriacus), jeweils
mit ausführlicher Bibliographie.
3 Duhr 1907–1913, Bd. 1, 189–190, Bd. 2,1, 214. In Hall gab es eine Rhetorikklasse seit 1630 (Bd.
1, 193, Bd. 2,1, 218), in Trient wurde seit 1625 unterrichtet, seit 1627 existierte auch eine Rheto-
rikklasse (Bd. 2,1, 220–221).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593