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400 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Thematik
Schulgedichte von
Andreas Castner von Trient (64–65) – Themen, die z.T. kalendarisch, z.T. weil man zu ihnen bei den Jesu-
iten und in Tirol einen besonderen Bezug hatte, gut zum Ausklang des Schuljahrs passen.
Auch viele der Gedichte der übrigen Jahre lassen sich auf ähnliche Weise in dessen Ablauf
einbetten : Die des Jahres 1611/12 beginnen wieder mit Katharina von Alexandria (67–
79), es folgt die im Vorjahr fehlende Weihnachtsgeschichte (80–95), später wird noch das
Pfingstwunder behandelt (113–117). Für 1612/13 ist immerhin die Abfolge Ostern (136–
153) – Pfingsten (166–175) zu notieren ; Katharina bildet in diesem Fall den Abschluss
(177–196). Im letzten Jahr folgen einander Weihnachtsgeschichte (197–213), Heilige des
Januar und Februar (216–225), Lichtmess (225–228) und Ostergeschichte (229–236).
Damit sind auch schon die zentralen Themen benannt, welche die SchĂĽler zu be-
dichten hatten : die Erzählungen des NT zu den drei höchsten kirchlichen Festen
Weihnachten, Ostern und Pfingsten sowie die Hl. Katharina. Ergänzend treten wei-
tere Episoden aus der Bibel (z.B. 196 : die klugen und die törichten Jungfrauen) und
aus dem Leben anderer Heiliger (117–121 : ein frommes Schaf des Hl. Franziskus),
Fragen der christlichen Lebensführung (124–135 : sieben Fragen über den Tod),
erbauliche Anekdoten (123 : ein Betrunkener wird vom Teufel heimgesucht), Be-
schreibungen religiöser Bildwerke (157–166), Themen mit Lokalbezug (213–215 :
Lob Tirols) und antijĂĽdische Polemik (162, 175) hinzu. DemgegenĂĽber sind einige
auffällige Leerstellen zu verzeichnen : Antireformatorische Polemik fehlt gänzlich.
Profane Panegyrik (vgl. etwa 96–99 auf das Grab eines hohen Tiroler Beamten) ist
erstaunlich selten. Antike Geschichte, Mythologie und Literatur werden ebenfalls
an den Rand gedrängt. Wo sie doch auftauchen, liefern sie entweder abschreckende
Beispiele (z.B. 100–108 : Catilinas Bluteid, Caligulas Pferd) oder unverfängliche er-
bauliche Maximen (250–261 werden etwa zwei Sentenzen aus Senecas Hercules Fu-
rens variiert.) So klassisch-heidnisch der poetische LektĂĽrekanon der Jesuiten, so gut
christlich ist insgesamt das Ăśbungspensum ihrer SchĂĽler selbst. Noch konsequenter
als im Rhetorik- (vgl. hier S.Â
476–479) hat die Gesellschaft Jesu im Poesieunterricht
ihr Programm, der klassischen Literatur nur die Form zu entlehnen und sie zu einer
Waffe zur Verteidigung des wahren Glaubens zu machen, in die Praxis umgesetzt.
Eine willkommene Ergänzung zu den Epigrammata bildet ein unter der Signatur
T42 in der Bozner Propsteibibliothek erhaltener, 105 Seiten starker Band mit Rein-
schriften von Gedichten und Reden (vgl. hier S.Â
477) eines nicht weiter bekannten
Andreas Castner. Wie aus dieser Mischung hervorgeht, legte auch Andreas sein
Heft an, während er die Rhetorikklasse eines Jesuitengymnasiums besuchte, bei
dem es sich ebenfalls um das von Innsbruck handeln muss, und zwar, wie einige
Datierungen ([25], [57], [79]) zeigen, im Schuljahr 1607/08.5
5 In den Epigrammata erscheinen in den Jahren 1611/12 und 1612/13 mehrfach ein Johann Konrad
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593