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Dichtung 409
Savioli und der
katholische
Diskurs
O’Connor,
Helicon
theologicus
Inhalt, Aufbau
Tränen durchweicht (116). Tatsächlich wurden aber die Heroides in Renaissance
und Barock generell intensiv rezipiert, imitiert und dabei auch christianisiert :10
Diese Sekundärtradition, vielleicht verbunden mit der ebenfalls christlichen des
Himmelsbriefs (Schmolinsky 1999), ist es, die hier fortgefĂĽhrt wird.
Savioli ist ein Dichter, der seine Ziele plakativ ankĂĽndigt und sie z.T. mit recht
mechanischen Mitteln zu erreichen versucht. Gerade deshalb kann man an ihm
gut erkennen, wie sich der katholische Diskurs seiner Zeit im Medium der geistli-
chen Dichtung niederschlägt. Die künstlerischen und literarischen Exponenten des
Katholizismus bemühten sich zur Zeit von Gegenreformation und Barock stärker
als früher, ihre Rezipienten emotional zu überwältigen und sie so nolentes volen-
tes ihrem Heil zuzuführen. Während diese Absicht und die Art ihrer Realisierung
fĂĽr Bereiche wie die sakrale Architektur, die Predigt oder das Jesuitendrama schon
gut dokumentiert sind, fehlen entsprechende Arbeiten zur geistlichen Poesie bis-
lang weitgehend. Das Beispiel Saviolis zeigt, dass auch hier mit einer ähnlichen
Grundintention zu rechnen ist, die aber in spezifischer, gattungstypischer Weise
umgesetzt wird.
Im Jahr 1658 veröffentlichte in Trient der als theologischer Schriftsteller auch
sonst fruchtbare irische Mönch Bonaventura O’Connor (s. hier S. 503 und 525 ;
vgl. Giblin 1984) im Namen des Bozner Franziskanerklosters, dem er angehörte,
den Helicon theologicus sacra concinens vena de Deo Uno („Theologischer Helikon,
der, heilig inspiriert, von dem einen Gott singt“). Die Vorrede ([V]–[VIII]) emp-
fiehlt das Werk dem Schutz des Antonio Girardi, eines aus einem Rittener Adels-
geschlecht stammenden Höflings und Verwaltungsbeamten unter Ferdinand Karl.
Ob O’Connor seinen Inhalt wirklich, wie im ausführlichen Titel angekündigt, auch
im Rahmen einer öffentlichen Disputation bekannt machte ([III] ; publica […] dis-
putatione ventilandus), wissen wir nicht.
Nach der Widmung an Girardi und einer Vorrede an den Leser ([IX]–[X]) ent-
hält das Werk auf 47 Seiten 23 hexametrische demonstrationes („Beweise“), von de-
nen jede eine bestimmte theologische These verteidigt. Dabei lassen sich drei aufei-
nander aufbauende Abschnitte unterscheiden : Ein erster (dem. I–VIII) wendet sich
gegen Nichtchristen, z.B. Atheisten, Anhänger des antiken Polytheismus, Pythago-
räer und Manichäer, und widerlegt deren Gottesvorstellungen ; seine Stoßrichtung
wird schon aus den Titeln der einzelnen demonstrationes klar, die größtenteils die
Form Demonstratur non […] („Es wird gezeigt, dass nicht […]“) aufweisen. Im
Anschluss hieran widmet sich der zweite Abschnitt (dem. IX–XVIII) dem Wesen
des katholischen Gottes an sich. Die ersten beiden demonstrationes klären die Exis-
10 Dörrie 1968, v.a. 381–427. Allerdings kennt Dörrie Savioli nicht, und unter seinen Beispielen für
die Seele als Briefschreiberin (509) findet sich keine Konstellation, die der vorliegenden entspräche.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593