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412 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Charakteristik
Perotti ĂĽber den
Hl. Alexius Der Erzähler durchstreift die Wälder, um einen Schwan zu schießen und sich durch des-
sen Federn – die er als Schreibfedern verwenden möchte ? – dichterische Inspiration zu
verschaffen, doch seine Mühen sind vergeblich ([2]–[3]). Als nächstes bittet er die Musen,
ihn zu inspirieren, damit er den Allmächtigen besingen kann ([3]–[4]). Darüber wird es
Nacht, und er ist gezwungen, im Wald zu kampieren ([4]–[5]). Auf einmal ertönt vom
Himmel Gesang, ein Licht erglänzt ([5]–[6]) : Christus erscheint in Begleitung aller Heili-
gen, bittet in einer Rede an Gottvater um Aufnahme in den Himmel, fährt zum Himmel
auf und setzt sich zur Rechten des Vaters. Die Vision verschwindet, und der Erzähler been-
det sein Gedicht ([6]–[8]).
Mit der Himmelfahrt Christi (vgl. Apg 1,9–11) greift das Kurzepos einen Stoff auf,
der in der Antike kaum selbständig in längeren Gedichten behandelt, sondern nur
en passant in epischen Bearbeitungen der Evangelien und der Apostelgeschichte an-
gesprochen wird (z.B. Sedul. 5,422–428 ; Arator act. 1,21–68). Auch Arcionus stellt
der Himmelfahrt zumindest eine Einleitung voran, die sogar ein wenig mehr Raum
beansprucht als jene selbst. Das Gedicht erhält dadurch eine Gesamtstruktur, die
gerade in der nlat. Poesie nicht selten anzutreffen ist (vgl. etwa Jakob Fischers Poema
paraeneticum, hier S. 244–246) : Der Dichter erzählt, wie er vergeblich nach einem
Stoff bzw. nach Inspiration sucht und auf dieser Suche etwas erlebt – meist einen
Traum oder wie hier eine Vision –, durch dessen Bericht er seine Schreibblockade
ĂĽberwindet. Das Motiv der Schwanenjagd hat dabei insofern seine Berechtigung,
als der Schwan als besonders sangesfroh und als Vogel Apollos gilt, wirkt aber den-
noch gesucht und idiosynkratisch. Es soll wohl dazu dienen, dem skizzierten Er-
zählschema eine persönliche Note zu verleihen. Sprachlich ist das Gedicht wenig
originell : Es weist einen hohen Anteil an vergilischen und ovidischen Junkturen
und Halbversen auf und wiederholt einzelne Wörter und Phrasen ohne Scheu.
Im Jahr 1666 publizierte ein nicht weiter bekannter Giulio Perotti CRSP, viel-
leicht ehemals Hoftheologe unter Ferdinand Karl,13 in Trient eine Sammlung „ver-
mischter Gedichte“ über das Leben des Hl. Alexius, die er einem aus dem Trentiner
Adelsgeschlecht der Castelbarco stammenden Carlo, Graf des Heiligen Römischen
Reichs und Kanonikus in Salzburg, widmete (vgl. Abb. 55). Alexius, Ende des
4.Â
Jhs. als Sohn senatorischer Eltern in Rom geboren, soll sich seiner Hochzeit auf-
grund einer göttlichen Eingebung durch Flucht entzogen und in der Folge zunächst
17 (oder 7, 10 oder wie hier 14) Jahre als Bettler in Edessa gelebt haben. Vor seiner
dort einsetzenden Verehrung als Heiliger floh er nach Rom zurĂĽck, wo er weitere 17
(hier [vgl. 25–26] wiederum 14) Jahre als unerkannter Almosenempfänger im Haus
seiner Eltern zubrachte. Als er sein Ende nahen fĂĽhlte, gab er sich durch ein Schrei-
13 Das Titelblatt nennt ihn Fer(dinandi) Caroli Arch(iducis) Aust(riae) The(ologus ?) etc.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593