Seite - 416 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 416 -
Text der Seite - 416 -
416 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Heuffler als
Erzähler in der Vorlage in eine Reihe relativ unverbundener Episoden und bleibt dabei, da
Hartmann in diesen – im Gegensatz zur historischen Realität – kaum auf ernst-
zunehmende äußere oder innere Widerstände trifft, im Einzelnen so spannungs-
arm wie im Ganzen. Im Zentrum steht stattdessen unangefochten die Gestalt
des Seligen selbst, der sich in seinem Handeln immer wieder als exemplarische,
vorbildliche Persönlichkeit bewährt. Der Erzähler unterstreicht diesen Schwer-
punkt nicht nur durch zahlreiche verallgemeinernd-moralisierende Kommentare,
sondern kĂĽndigt ihn auch schon im Proömium (V.Â
1–35) an : Statt an die antiken
Archegeten der Gattung anzuknĂĽpfen oder sich Gedanken ĂĽber die Umsetzung
einer Heiligenlegende ins Epos zu machen, betont er dort, er wolle den Geist
selbst (mens ipsa) und die Tugend (virtus) seines Helden porträtieren, wie sie sich
in dessen berĂĽhmten Taten (clara facta) zeigten (V.Â
21–24). Die epische Überfor-
mung des Stoffes manifestiert sich unter diesen Umständen hauptsächlich in der
Ăśbernahme des Hexameters samt der an diesen gebundenen Diktion, in zweiter
Linie auch in einer ausgeprägten Vorliebe für Gleichnisse und einigen episch ko-
lorierten Szenen. Jene fallen weniger durch ihre Zahl als durch ihren Umfang
auf : Sie können sich über mehrere Seiten erstrecken (vgl. z.B. V. 263–298, wo
ein strenger Abt als geistlicher Feldherr dargestellt wird). Im zweiten Teil geht ihr
Gebrauch stark zurĂĽck, vielleicht, weil Heuffler, um ein Gleichgewicht zwischen
beiden Teilen herzustellen, seine Vorlage hier wie erwähnt kräftig kürzt. Zwei
Beispiele fĂĽr episierende Szenen bieten die originelle Beschreibung der Havarie
eines Donauschiffs, das Hartmann dann durch sein Gebet errettet, im Stil einer
Seesturmerzählung (V. 454–506) und die überhöhende Schilderung der kriege-
rischen Auseinandersetzungen zwischen den Grafen von Eppan und von Tirol
(V.Â
1325–1367). Viele Möglichkeiten der epischen Erzähl- und Darstellungstech-
nik, die sich angeboten hätten, werden jedoch beiseite gelassen oder nur sehr
beschränkt genutzt : Jenes gilt z.B. für die Götterhandlung und die Rückblende,
dieses fĂĽr die direkte Rede (was u.a. auch zur Folge hat, dass die Charaktere der
handelnden Personen meist blass bleiben).
Trotzdem erweist Heuffler sich stellenweise durchaus als begabter Erzähler, der
es versteht, dem Leser inneres wie äußeres Geschehen anschaulich, mitunter sogar
packend vor Augen zu fĂĽhren. Gute Beispiele fĂĽr solche Passagen bieten etwa die
erwähnte Schiffbruchschilderung sowie eine lange Wundererzählung gegen Schluss
(V. 1073–1243), die auch deshalb bemerkenswert ist, weil Hartmann in ihr zum
ersten und einzigen Mal menschliche Schwäche zeigt. Er lässt sich durch das Ge-
schenk eines kostbaren Kelchs dazu bestechen, in das kirchliche Begräbnis eines im
Zustand der Exkommunikation Verstorbenen einzuwilligen, und wird deshalb von
Höllenflammen gepeinigt (V. 1189–1199) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593