Seite - 421 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Dichtung 421
Appendix :
Genethliacon fĂĽr
Maria Eleonora
Jesuiten zum
selben Anlass
so ein buntes, aber durchaus strukturiertes Panorama der Ereignisse um die Geburt
des Thronfolgers, das alle drei Zeitstufen durchläuft und (trotz seiner Widmung an
einen de’ Medici) beide involvierten Familien und ihre Herkunftsorte ausgewogen
berĂĽcksichtigt. Nicht zuletzt steht das Gedicht auch sprachlich auf hohem Niveau.
Sein Autor schreibt dichte, prunkvolle Hexameter und zieht dabei je nach Thema-
tik ganz verschiedene Register. So charakterisiert er beispielsweise die Arbeit der
Stickerinnen mit geschliffener Präzision : Celeri cursu micat atque recursu / Punctim
acus ac figit pretioso vulnere telam ([13] ; „In schnellem Lauf hin und zurück blitzt
Stich für Stich die Nadel auf und durchbohrt mit kostbarer Wunde den Stoff“).
Die Anrede an den einschlafenden Prinzen erweckt dagegen den Eindruck echter
Zärtlichkeit : Gemmeus in somnum sed iam connivet ocellus, / In somnum aspirant
aurae : bellissime dormi / Pupule […] ([24] ; „Doch schon schließt sich das Juwel sei-
nes Auges, zum Schlaf fächeln die Lüfte ihm zu : Schlaf, schönstes Knäblein […]“).
Als Appendix enthält der Band noch ein zweites, nur knapp ein Drittel so lan-
ges Genethliacon, das die Geburt Maria Eleonoras (1627–1629 ; vgl. Weiss 2004,
82–84) im Vorjahr besingt. Bemerkenswert ist die Offenheit, mit der es zu Beginn
auf die Enttäuschung eingeht, welche die Geburt einer Tochter statt des ersehnten
Thronfolgers offenbar hervorgerufen hat. Diese wird zunächst mit Hilfe des Topos
„Alles Große entwickelt sich aus kleinen Anfängen“ bekämpft ([25]–[27]) – wobei
die Konklusion, die Geburt eines Sohnes sei so gut wie sicher, den Dichter im
Nachhinein als echten, prophetischen vates erweist –, dann unter Verweis auf die
NĂĽtzlichkeit von Frauen unter dynastischen Gesichtspunkten. Erst im abschlie-
ßenden Teil ([27]–[31]) wendet sich der Sprecher wie im ersten Gedicht dem Kind
selbst zu, das wieder einerseits als sĂĽĂźes Baby geschildert, andererseits unter dem
Gesichtspunkt seiner künftigen Entwicklung (Schönheit, Tugend, Möglichkeiten
der Verheiratung, Vorbilder unter den Vorfahren) betrachtet wird.
Geburt und Taufe Ferdinand Karls riefen auch die Innsbrucker Jesuiten auf den
Plan, die mit dem gut 120 Hexameter umfassenden Genethliacon Ferdinando Ca-
rolo […] nato et renato („Für Ferdinand Karl […] zu seiner Geburt und Taufe“)
gratulierten. Die Gratulation ist in die geläufige Form einer Traumerzählung geklei-
det : Der anonyme Dichter schläft am Vorabend der Geburt ein und sieht sich auf
den Parnass versetzt, wo eine Reihe berĂĽhmter Habsburger versammelt ist. Karl V.
erklärt Rudolf I. und den anderen Majestäten, bald werde in Innsbruck ein neuer
groĂźer Habsburger geboren werden, der seinen, Karls, Namen tragen und ihm
auch in seinen Taten und Tugenden nacheifern werde. Die Formulierungen sind in
diesem Teil öfters Vergils vierter Ekloge entlehnt, die ja ebenfalls von der Geburt
eines wunderbaren Kindes handelt, inhaltlich finden sich, v.a. in der Betonung der
fürstlichen clementia („Milde“), Elemente eines Fürstenspiegels. Karls Rede wird
mit begeistertem Applaus aufgenommen. Der Dichter erwacht von dem Lärm und
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593