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426 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Madruzzo-
panegyrik :
Maffiolus, Flosculi und akzentuierender Vers durchdringen sich hier in einer Weise, zu der zumindest
die Tiroler Latinität kein Gegenstück kennt.
Wie in der vorhergehenden Epoche profilieren sich auch in der vorliegenden die
Trientner Fürstbischöfe aus dem Geschlecht der Madruzzo als nach den Habsbur-
gern zweitwichtigste Abnehmer panegyrischer Dichtung. Im Jahr 1608 publizierte
ein sonst nicht weiter bekannter Caelius Maffiolus aus Salò am Gardasee in Verona
Flosculi […] Caroli cardinalis Madrutii […] comas ambientes („Blüten, die […] das
Haar des Kardinals Carlo [Gaudenzio] Madruzzo […] umschlingen“) und wid-
mete sie dem adeligen Veroneser Literaten Girolamo VeritĂ (vgl. Carlini 1905), der
ihn bei dem Gefeierten eingefĂĽhrt hatte. Es handelt sich um eine 33 Seiten starke
Sammlung von insgesamt 55 panegyrischen Gedichten und Gedichtlein, groĂźteils
in elegischen Distichen, aber auch in Hexametern, Hendekasyllabi, horazischen
MaĂźen und Hinkjamben. Einige StĂĽcke sind absichtsvoll an ihrer Stelle platziert
und verleihen dem Buch dadurch eine gewisse Struktur. Den Anfang macht eine
Reihe einleitender Gedichte : drei Epigramme an das Buch, den kritischen Le-
ser und (von einem Grafen Raymundus Turrianus) an den Autor selbst (2), drei
längere Stücke an Verità (3–5), darunter eine Beschreibung und platonisierende
Deutung seines auf dem Titelblatt abgebildeten Wappens (vgl. Abb. 61), und eine
Einführung des libellus bei Carlo Gaudenzio (6–7). Das Herzstück der Sammlung
bilden aufgrund ihrer Länge, gattungsmäßigen Dignität und symmetrischen An-
ordnung vor, in und nach der Buchmitte drei Oden. Die erste (12–13) steht, an
Hor. carm. 1,1 anknĂĽpfend, im ersten asklepiadeischen MaĂź und preist Carlos
Qualitäten als Herrscher von Trient. Die mittlere und längste (17–20), im klas-
sischen EpodenmaĂź aus jambischem Tri- und Dimeter (aber, wie in dieser Zeit
nicht unĂĽblich, trotzdem mit Ode betitelt),17 vergleicht seine Hilfe gegen Unge-
rechtigkeit mit Sonnenschein nach Regen. Die dritte (24–26) lobt in alkäischen
Strophen seine konservative Gesetzgebung.18 Bei den restlichen Gedichten handelt
es sich v.a. um Epigramme, welche diverse Tugenden des Kardinals preisen und
die Dankbarkeit des Dichters ventilieren. Unter ihnen ist etwa noch ein dunkles
Rätselgedicht auf Carlos Vornamen (28) hervorzuheben, weiters eine Reihe ana-
17 Poetische Theorie und Praxis der Zeit scheiden oft nicht zwischen Oden und Epoden, da man den
Titel von Horaz’ Epodenbuch fälschlich als „Gedichte nach den Oden“ verstand und es deshalb
als eine Art Appendix zu diesen auffasste. In dieser Haltung sah man sich bestärkt einerseits durch
die Reihenfolge der Handschriften und Ausgaben, andererseits durch Servius’ der Frühen Neuzeit
durch die populären metrischen Handbücher Niccolò Perottis vermittelte Schrift De metris Horati-
anis („Über die Metren des Horaz“), welche die Oden- und Epodenmaße bespricht, ohne zwischen
ihnen zu differenzieren ; vgl. Schäfer 1976, 21, 117, 261 ; Leonhardt 1989, 160–164.
18 Costa 1977, 165 zitiert verschiedene Gesetze Carlo Gaudenzios, allerdings nur solche aus den Jah-
ren 1609–1625.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593