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430 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
metrisches
Experiment
Inama auf Spaur unter einem solchen Herrscher usw.), formal ist es dagegen sehr speziell. Es gliedert
sich in 17 Strophen aus drei Asklepiadeen, einem Vers aus fünf langen Silben und
einem jambischen Dimeter. Die erste Strophe lautet beispielsweise :
Felix o superum munere civitas,
O felix iterum, cui Deus altior
Fortuna dominus praeficit et suo
Decretum fato
Vult imperare CAROLUM.
Selig durch das Geschenk der Himmlischen die Stadt, o selig zum zweiten Mal, welcher
Gott, ein höherer Herr als das Glück, CARLO als Herrn gibt und will, dass dieser, durch
sein Geschick dazu bestimmt, über sie herrsche !
Scientia scheint dieses metrische Gebilde selbst erfunden zu haben, wobei er wohl
(ähnlich wie Seneca in seinen freien Cantica) von horazischen Bestandteilen aus-
gegangen ist : Drei Asklepiadeen sind ein geläufiger Beginn horazischer Odenstro-
phen, ein jambischer Dimeter schließt viele Epodenstrophen. Den Übergang zwi-
schen beidem vermittelt ein ambivalenter Vers, den man ebenso als äolisch (unter
Ersetzung der Doppelkürze durch eine Länge) wie als (hink)jambisch interpretie-
ren kann. Eine Anregung zu diesem metrischen Experiment könnte Scientia von
Maffeo Barberini (1568–1644, seit 1623 Urban VIII.) empfangen haben, von dem
1621 in Paris drei pindarische Oden erschienen waren, deren Strophen aus frei
zusammengesetzten horazischen Versen – allerdings ausschließlich aus solchen –
bestanden (Schäfer 1976, 115).
Das einzige panegyrische Gedicht dieser Epoche auf einen Brixner Fürstbischof
veröffentlichte Nicolao Inama, der sonst v.a. durch seine Reden auf Trientner Fürst-
bischöfe hervortrat (vgl. hier S. 465–468), 1603 in Trient. Ob sein 14 Seiten und
rund 350 Verse langes elegisches Carmen panegyricon auf Christoph Andreas von
Spaur (reg. 1601–1613) einen bestimmten Anlass hatte und wenn ja, welchen, ist
unklar, da ihm außergewöhnlicherweise keine Vorreden, Widmungsbriefe oder Be-
gleitgedichte beigegeben sind ; man könnte allenfalls an die Diözesansynode von
1603 (Gelmi 1986, 94–95) denken. Der Trientner Inama gibt auch ausdrücklich
an, Spaur nie persönlich gesehen zu haben (13).
Inama beginnt mit einer (von Ov. trist. 1,1 inspirierten) Aufforderung an das Gedicht
selbst, sich zu Spaur zu begeben (3). Dieser wird samt seinem Geschlecht mit Lob bedacht
(3–4). Er erscheint als leuchtende Ausnahme in finsterer Zeit, was eine längere Invektive
gegen die Zeitverhältnisse nach sich zieht (4–7). Nur Brixen, wo Spaur mithilfe Gottes
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593