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432 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Biagio Aliprandi
Carmina lässt sich die Frage nicht mehr beantworten, doch ein plausibler Kandidat wäre
der durch sein Tagebuch aus dem Dreißigjährigen Krieg bekannte Maurus Frie-
senegger (Killy 4, 32), der 1640–1655 Abt des Benediktinerklosters Andechs war.
Ein Freundschaftsbesuch eines so profilierten Ordensbruders und Abtkollegen wäre
wohl wichtig genug gewesen, um in einem Geburtstagsgedicht hervorgehoben zu
werden. Bei den gefrorenen Wogen könnte man in diesem Fall neben diversen bay-
erischen Seen v.a. an den Achensee denken.
Vor Rätsel stellt auch die Identität des Priesters und Doktors des Kirchenrechts
Biagio Aliprandi, der aus Livo im Nonstal stammt. Ist er mit dem gleichnamigen
Autor, der eine Leichenrede auf Eufemia Madruzzo verfasst hat (vgl. hier S. 285),
identisch oder dessen Verwandter und Namensvetter ?21 Auch das offenbar traurige
Schicksal des Mannes lässt sich, wie wir gleich sehen werden, nicht wirklich aufklä-
ren. Klar ist nur, dass er 1600 in Pavia Carmina […] ad varios sibique arctissimo ne-
cessitudinis vinculo coniunctissimos viros conscripta („Gedichte […] an verschiedene,
ihm durch engste Verwandtschafts- und Freundschaftsbande verbundene Männer“)
und 1603 in Trient eine (in Bozen verfasste) Ecloga („Hirtengedicht“) herausgab.
Die 36 Seiten umfassenden Carmina – sie stehen abgesehen von einigen Hexametern und
horazischen Strophen (s.u.) im elegischen Distichon – beginnen mit einem Vorspann
([1]–8), bestehend aus dem Titelblatt, einem Widmungsbrief an den Trientner Kanoni-
ker Beltramo Pezzano, ein paar italienischen Versen und zwei emblemartigen Komposi-
tionen von Freunden des Autors, die auf dessen rosengeschmĂĽcktem Wappen basieren.
Im Hauptteil folgt auf einige geistliche Gedichte (9–14) eine längere Partie, die v.a. aus
Panegyrik auf diverse Freunde besteht (14–27) ; hervorzuheben sind ein mehrmaliger Aus-
tausch von Komplimenten mit einem Augustinus Comascus (15–19) und drei horazische
Oden (19–24). In einem dritten Teil (28–31) klagt Aliprandi dann – einmal (28–29) im
zweiten archilochischen Maß (Hexameter gefolgt von Hemiepes) – ausschließlich über die
schon zuvor (25–26) kurz berührte Tatsache, dass er aus seiner Heimat und von seinen
dortigen LandgĂĽtern vertrieben wurde und sich momentan in Pavia aufhalten muss ; auch
bittet er (31) einen Landsmann um Hilfe. Den Abschluss bilden zwei Distichen auf den im
Erscheinungsjahr des Bandes verstorbenen Lodovico Madruzzo und die Geschichte eines
von Gott bestraften Verbrechers (32–36).
21 Name, Herkunftsort und geistlicher Stand stimmen ĂĽberein, doch der Verfasser der Grabrede ist
angeblich selbst schon 1571 verstorben (Vareschi 1996a). Sollte diese Angabe falsch sein, könnte
man die beiden Autoren ohne weiteres miteinander identifizieren. Der zeitliche Abstand wäre des-
halb kein Problem, weil der Verfasser der gleich zu besprechenden Ecloga sich implizit als Greis
bezeichnet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593