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Dichtung 433
Aliprandis Exil
unklare Umstände
Ecloga
Interessant ist an dem literarisch mittelmäßigen Büchlein in erster Linie seine in-
haltliche Heterogenität und die durch diese aufgeworfene Frage, welche Gründe
Aliprandi bewogen haben könnten, so Disparates in einem Band zu versammeln.
Das Motiv, das er im Widmungsbrief hierfür angibt, ne iucundissimum utilissi-
mumque contexendi carmina studium penitus oblivioni traderem (6 ; „um nicht das
überaus angenehme und nützliche Bemühen um das Verfassen von Gedichten
gänzlich dem Vergessen anheimfallen zu lassen“), erklärt in Wirklichkeit nur die
Abfassung, nicht die gemeinsame Herausgabe. Einen Grund für diese könnte da-
gegen die Verbannung des Autors darstellen, unter der er anscheinend sehr leidet
(25) :
Quid tuus hic faciat Blasius, si quaeris, amice,
Orbus amat tenebras, odit splendentia solis
Lumina, fatales ducentes fila sorores
Nunc opus accelerent supplex humilisque precatur,
Tempora constipent22 celeres labentia soles.
Falls du fragst, Freund, was dein Biagio hier macht, muss ich dir sagen : Er fühlt sich
verwaist, liebt die Finsternis, hasst das glänzende Sonnenlicht, fleht kniefällig und un-
terwürfig, die Schwestern, welche die Schicksalsfäden spinnen, möchten nun ihr Werk
beschleunigen und die Sonnenläufe möchten rasch die gleitende Zeit zusammendrängen.
Die Tatsache, dass viele der panegyrischen Gedichte sich an Persönlichkeiten aus
Pavia richten, könnte so gesehen dazu dienen, im Exil neue, einflussreiche Freunde
zu gewinnen. Leider bleibt Aliprandi hinsichtlich der Umstände seiner Verban-
nung ganz vage und erklärt weder, ob er aus Livo oder aus Trient, noch von wem
er eigentlich vertrieben wurde ; seine anachronistisch wirkenden Anschuldigungen
gegen populares (28 ; „Angehörige der Volkspartei“) verbreiten hinsichtlich des
zweiten Punktes mehr Dunkel als Licht. Hatte seine Vertreibung vielleicht etwas
mit dem Tod Lodovico Madruzzos zu tun ? Hatte er sich so offenkundige Vergehen
zuschulden kommen lassen, dass er nicht deutlicher werden konnte (vgl. 30, wo
er sich als sontes, „schuldig“, bezeichnet) ? Man kommt über Spekulationen nicht
hinaus.
Ebenso dunkel bleiben die historischen und biographischen Hintergründe in der
Ecloga, die noch dazu nur in einem verstümmelten Exemplar erhalten ist (TLMF,
W 11373). Aliprandi widmet sie in einem einleitenden Schreiben (3–4) den sonst
unbekannten kaiserlichen Räten Ferdinand und Ottoman von Chiepoch, Herren
22 Das constipant der Ausgabe ist ein offensichtlicher Druckfehler.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593