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Theater 439
Allegorien
cetten abzugewinnen und insbesondere die ausufernde ‚Festversion‘ des Johannes
Sonhovius wieder zu einem dramaturgisch geschlossenen Drama zu machen. Die
Catharina tragoedia hat keine ihren Vorgängerinnen vergleichbare außerliterari-
sche Wirkungsabsicht, da der Wunsch nach einem eigenen Schulgebäude ja gerade
erfüllt wurde. Sie konzentriert sich daher stärker auf literarische Qualitäten und
auf die jesuitischen Grundthemen von Bildung und Religion. Literarisch reizvoll
sind u.a. die Auflockerungen des jambischen Sprechverses durch lyrische Einlagen.
Die Chöre sind nicht wie oft im Jesuitendrama stereotyp ans Aktende verscho-
ben, sondern stehen spannungsreich im dramatischen Dialog. Starcks Orientierung
an Seneca – mit der er in den Spuren des Autors des ersten Innsbrucker Kathari-
nendramas, Gregorius Holonius, wandelt (vgl. hier S. 275–276) – ist allein schon
an den vielen Zitaten ablesbar. Dazu kommt der Einsatz von Anapästen in den
Chorpartien, ein Reichtum an Sentenzen und keine Scheu vor der Darstellung von
Grausamkeit. Drastisch illustriert den letztgenannten Punkt etwa III,3 wo zumin-
dest in einem Fall (V. 825–830) nicht nur beschrieben, sondern auch gezeigt wird,
wie die Soldaten des Maxentius (hier ein gewisser Schurius) den Müttern von Ale-
xandria ihre Kinder entreißen und sie töten, damit der Kaiser deren Herzen den
heidnischen Göttern opfern kann.
Sch : Sic, sic agendum. Mater : Heu, heu ferina immanitas !
Heu beluina ferocitas ! Mea viscera,
Meumque sanguinem abripi crudeliter.
Meme perime, en iugulum paratum ! Ah, gnate mi !
Ah, gnate mi, collisus es ! Sch : Corpusculum
Tibi dono, corculo imperator utitur.
Sch : So muss es sein. Mutter : Ach, ach, die wilde Grausamkeit !
Ach bestienhafte Wildheit ! Mir mein Innerstes,
Mein eignes Blut gefühllos fortzureißen. Töt
Auch mich, da halt ich meine Kehle hin ! Ach Sohn !
Ach Sohn, du bist zerquetscht ! Sch : Das Körperchen, das schenk
Ich dir, das Herzchen aber braucht der Kaiser noch.
Unter den drei Innsbrucker Katharinentexten nähert sich die Catharina tragoedia
am weitesten dem klassisch-römischen, d.h. dem senecanischen Drama an. Durch
den Einsatz des typischen allegorischen Apparats schließt sie sich im Unterschied
zu den bisherigen Innsbrucker Adaptionen des Katharinendramas gleichzeitig eng
an die ‚Normalform‘ des zeitgenössischen Jesuitentheaters an. Ein Textbeispiel
kann Starcks Neuerung schön illustrieren : Während im Drama von 1576 Maxen-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593