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TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Seite - 441 -
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Theater 441 weitere sakral- geschichtliche Stoffe Anderl von Rinn Hippolytus Guarinonius Aus Sicht der inneren Logik ist die Einführung allegorischer Figuren freilich nicht immer vorteilhaft. Holonius – und mit ihm der Innsbrucker Bearbeiter der Katha- rina von 1576 – setzte noch ganz auf Psychologie. Wenn Maxentius im früheren Text anfangs seinen dispar affectus, seine „ungleiche Leidenschaft“ betont, so des- halb, weil ihm seine Befindlichkeit zwischen Hass und Liebe schon bewusst ist und weil er dies im Folgenden auszuführen gedenkt. In Starcks Adaption der Stelle wird die Rede von einem dispar affectus sinnlos, weil die Gefühlslage des Kaisers erst durch das telum Cupidos umschlägt. Das sakralgeschichtliche Paradigma war natürlich nicht nur zur Zeit von Maxi- milian  III. und in Innsbruck maßgeblich. Es blieb neben neuen Tendenzen wäh- rend des ganzen 17. Jhs. bedeutsam. Von den erhaltenen Tiroler Spieltexten sind hier z.B. das Haller Ephräm-Drama von 1644 – Ephrem Syrus adolescens („Der junge Ephräm der Syrer“) – und das Trientner Joseph-Drama von 1660 – Invidia triumphata sive Josephus Patriarcha a fratribus olim recognitus („Triumph über den Neid, oder der Patriarch Joseph, wie er einst von den Brüdern erkannt wurde“) – zu nennen. Das Haller Stück von Michael Pexenfelder (1613–1685) dramatisiert eine vom syrischen Kirchenlehrer Ephräm (ca. 306–373) selbst berichtete und für seine Hinwendung zum asketischen Leben entscheidende Episode. Das Trientner Drama ist eine Adaption der in der Weltliteratur i.A. und im frühneuzeitlichen Theater im Besonderen überaus beliebten biblischen Erzählung vom ägyptischen Joseph (vgl. besonders Wimmer 1982). Diese Stücke folgen in ihrer Stoffwahl freilich populären Mustern und weisen vergleichsweise wenige lokalspezifische Eigenheiten auf. An- ders verhält sich das mit einem in vieler Hinsicht außergewöhnlichen Beispiel aus dem Beginn der Regierungszeit Erzherzog Leopolds  V., dem 1621 in Hall inszenier- ten Drama über den Knaben Anderl von Rinn (vgl. dazu Tilg 2004). Die Legende vom Anderl von Rinn ist ein trauriges und folgenreiches Kapitel der Tiroler Kulturgeschichte, zu dem die Jesuiten mit ihrer Aufführung maßgeblich beitrugen. Die hier erzählten Ereignisse reihen sich in die lange Tradition mittelal- terlicher antisemitischer Ritualmordlegenden ein. Einen wichtigen Vertreter dieser Gattung haben wir mit der Legende des Simon von Trient schon kennen gelernt (vgl. hier S.  67–69). Die Figur Simons ist auch das Hauptvorbild für die Gestal- tung des Anderl, das 1462 als dreijähriger Knabe in dem nahe bei Hall gelegenen Dorf Rinn einem jüdischen Ritualmord zum Opfer gefallen sein soll. Das Thema blieb bis in die jüngste Zeit brisant : Der 1753 unter Papst Benedikt XIV. geneh- migte Kult und die damit verbundenen alljährlichen Wallfahrten wurden erst 1994 – unter heftigen Protesten einer kleinen Gruppe eingefleischter Anderl-Anhänger – durch den damaligen Bischof Reinhold Stecher endgültig verboten. Im Gegensatz etwa zum Fall des Simon von Trient gibt es für die Ereignisse rund um Anderl von Rinn überhaupt keine zeitgenössischen Quellen. Heute gilt
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TYROLIS LATINA Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
TYROLIS LATINA
Untertitel
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
Band
1
Autoren
Martin Korenjak
Florian Schaffenrath
Lav Šubarić
Herausgeber
Karlheinz Töchterle
Ort
Wien
Datum
2012
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78868-3
Abmessungen
17.0 x 24.0 cm
Seiten
602
Schlagwörter
Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. Epochenbild (Josef Riedmann) 21
  3. Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
  4. Epochenbild (Lav Šubarić) 55
  5. Dichtung (Martin Korenjak) 66
  6. Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
  7. Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
  8. Biographie (Wolfgang Kofler) 123
  9. Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
  10. Musik (Lukas Oberrauch) 143
  11. Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
  12. Philosophie (Stefan Tilg) 167
  13. Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
  14. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
  15. Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
  16. Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
  17. Theater (Stefan Tilg) 266
  18. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
  19. Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
  20. Brief (Martin Korenjak) 335
  21. Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
  22. Philosophie (Stefan Tilg) 349
  23. Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
  24. Medizin (Lukas Oberrauch) 362
  25. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
  26. Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
  27. Dichtung (Martin Korenjak) 397
  28. Theater (Stefan Tilg) 436
  29. Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
  30. Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
  31. Biographie (Florian Schaffenrath) 505
  32. Brief (Martin Korenjak) 517
  33. Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
  34. Philosophie (Stefan Tilg) 545
  35. Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
  36. Medizin (Lav Šubarić) 564
  37. Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
  38. Farbtafeln 593
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