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Theater 447
Ferdinand II.
1. Akt : Gallicanus bittet Kaiser Konstantin um die Hand seiner Tochter Constantia. Da
Gallicanus Heide ist, gerät Konstantin darüber in einen Gewissenskonflikt. Er legt die Sa-
che seiner Tochter vor, die ihm folgenden Vorschlag macht : Sie wird Gallicanus heiraten,
wenn er zuvor die in Thrakien eingefallenen Skythen besiegt. Gallicanus willigt ein, opfert
den Göttern auf dem Kapitol und zieht nach Thrakien.
2. Akt : Das Kriegsglück stellt sich gegen Gallicanus. Er verliert mehrere Schlachten,
wird belagert und trägt sich mit dem Gedanken an Flucht. Auf Anraten der ihm mitge-
gebenen christlichen Freunde Johannes und Paulus wendet er sich Christus zu. Dieser er-
scheint ihm mit himmlischen Soldaten und den Worten : Accipe, Gallicane, gladium tuum
et sequere me („Nimm dein Schwert, Gallicanus, und folge mir !“). Dem folgenden Angriff
des Feldherrn können die Skythen nicht standhalten, sie werden vernichtend besiegt. Die
personifizierte Providentia („Göttliche Vorsehung“) betont, dass das Kriegsglück des Gal-
licanus nicht auf Zufall, sondern auf ihrem Willen beruht, die Dinge zum allgemeinen
Besten zu wenden.
3. Akt : Bei seiner Rückkehr nach Rom wird Gallicanus festlich empfangen. Er dankt
in den Kirchen St. Peter und Paul dem christlichen Gott für seinen Erfolg. Der verwun-
derte Konstantin erfährt die Ursache der Bekehrung seines Feldherrn. Dieser will sein Le-
ben nun ganz Gott widmen und verzichtet auf die Hochzeit. In einem Epilog verschiebt
Konstantin seinerseits die Hochzeit seiner Tochter und spart alle Freude für die Hochzeit
Kaiser Ferdinands II. auf. Diesem schicken die Protagonisten des Stücks Glückwünsche
und Geschenke.
Spätestens mit dem Epilog wird klar, dass das Stück ganz auf die Person Ferdi-
nands II. zugeschnitten ist. Eine rein geistliche Interpretation, wie sie Szarota
ansatzweise bietet, ist deshalb abzulehnen. Szarota betont die Wandlung des Gal-
licanus als „einer der schönsten Figuren des Jesuitendramas“ vom weltlichen Thron-
prätendenten zum Diener der Armen und schließlich zum Märtyrer. Gerade dies
wird in unserem Drama aber eben nicht mehr dargestellt. Wenn die Providentia
am Ende des zweiten Aktes das Kriegsglück des Gallicanus mit dem allgemeinen
Besten rechtfertigt, so dürfte das kaum auf ein späteres karitatives Wirken des zum
Christentum bekehrten Feldherrn anspielen, sondern vielmehr auf die militäri-
schen Erfolge Kaiser Ferdinands II. am Beginn des Dreißigjährigen Krieges – der
Sieg über die böhmischen Aufständischen am Weißen Berg lag gerade erst zwei
Jahre zurück. Mit dem Exempel auf der Bühne sollte die Durchschlagskraft des ka-
tholischen miles Christianus Ferdinand gefeiert werden. Dass für diesen Zweck das
Ende der Gallicanus-Fabel mit dem Martyrium des Feldherrn nicht relevant war,
leuchtet ein. Es ist in diesem Sinn also nur konsequent, wenn Gallicanus aus dem
Blickfeld verschwindet und seine in der Fiktion verhinderte Hochzeit durch die
reale Hochzeit Kaiser Ferdinands ersetzt wird, eine Durchbrechung der szenischen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593