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448 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Hochzeit von
Leopold V. und
Claudia
de’ Medici
Rudolphus
Habspurgicus
Absicht Illusion, die für höfische Festspiele und ihre Huldigung an anwesende hohe Gäste
kennzeichnend ist.
Fürstliche Hochzeiten sollten auch in Zukunft einen herausragenden Anlass für
die Produktion aufwendiger und etwas ausgefallener Jesuitendramen bilden. Gleich
zwei Stücke entstanden im Umfeld der 1626 gefeierten Hochzeit von Erzherzog
Leopold V. und Claudia de’ Medici (vgl. Weiss 2002, 59–72).
In der Residenzstatt Innsbruck wurde im Zuge der Hochzeitsfeierlichkeiten ein
Rudolphus Habspurgicus aufgeführt, eine Inszenierung der Vita des ersten habsbur-
gischen Königs Rudolf.8 Mit großem technischem Aufwand wurde hier, nicht zu-
letzt auch gegenüber den zahlreich anwesenden ausländischen Gästen, die habsbur-
gische Macht und die Fähigkeit zu deren künstlerischer Darstellung demonstriert.
Im Formalen sind ein reicher mythologischer Apparat, in dem sich zu Figuren aus
der klassischen Antike z.B. auch Personifikationen der von Rudolf unterworfenen
Länder gesellen, die hohe Anzahl von 258 in der Perioche verzeichneten Akteuren
und schließlich die durch den Hofchronisten von Ferklehen in seiner Schrift über
Leopolds Hochzeit bezeugte Darbietungsweise „all’italiano“ (TLMF, Dip. 803, Bl.
36v), was man in der Sekundärliteratur stets auf eine musikalische Inszenierung
nach Art der italienischen Oper bezieht, hervorzuheben.9 Diese Aufführung war
von ihrem Aufwand und ihrer Prachtentfaltung her ohne Zweifel ein Höhepunkt
des zeitgenössischen lokalen Theaterlebens.
Inhaltlich konzentriert sich das Stück ganz auf die Tugendhaftigkeit und staats-
politische Weitsicht seines Protagonisten. Eine Hochzeit spielt darin keine Rolle. Im
Gegensatz zum vier Jahre vorher gespielten Ovinius Gallicanus trägt die Fabel dem
äußeren Anlass also keine Rechnung. Im Prolog tritt allerdings das personifizierte
Italien auf und macht Leopold einen großen Ball zum Geschenk, der ausdrück-
lich als Symbol im Wappen der Medici angesprochen wird, also einen der sechs
Bälle in diesem Wappen darstellen soll. Aus dem Ball schlüpft der Hochzeitsgott
Thalassio und hält unter Applaus von Nymphen und der personifizierten Tyrolis
eine Lobrede auf das Hochzeitspaar. Die Figur Tyrolis stellt dann, zum eigentlichen
Stück überleitend, Rudolf als Christiani principis speculum vor, als „Spiegel eines
christlichen Fürsten“. Die Funktion des Stücks als Fürstenspiegel ist hier also wört-
lich ausgesprochen. Unverkennbar ist schließlich die Huldigung, die Leopold
V. als
8 Valentin, Nr. 967 ; von dem Stück hat sich die mit 24 Seiten ungewöhnlich umfangreiche, rein lat.
Perioche erhalten. Ein bei Valentin nicht verzeichnetes Exemplar befindet sich in der Herzog August
Bibliothek Wolfenbüttel, Xb 4858, eine Xerokopie davon in TLMF, FB 95441/2.
9 Freilich würde man für diese Interpretation eher ein „all’italiana“ erwarten. Der Umstand, dass
Claudia eine große Musikliebhaberin war, und die strukturellen Ähnlichkeiten des Rudolphus mit
der opernhaften Tyrolis pacifica von 1646 (vgl. für beides weiter unten) verleihen der üblichen Deu-
tung allerdings Wahrscheinlichkeit.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593