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454 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Inhalt, Aufbau vielen Einzelepisoden des Dramas in den Untertitel der Periochen aufgenommen,16
was auf ihre herausragende Bedeutung hinweist. Gerade die Genesius-Episode hat
übrigens in der Jesuitendramatik mit Bidermanns 1618 erstmals aufgeführtem Phi-
lemon martyr ein berühmtes Pendant. Ob Balde sich davon anregen ließ, bleibt
aber fraglich, da der Stoff in mehreren Quellen überliefert ist und auch ohne Bider-
manns Stück populär war.
Wie schon angedeutet, gibt es im Iocus keine durchgehende Handlung, sondern
eine Reihe von Einzelepisoden, die von dem gemeinsamen Thema des in Ernst ver-
wandelten Scherzes zusammengehalten werden. Die Episoden sind dabei von ganz
verschiedener Länge. Der besonders bunte erste Akt bringt in sieben Szenen fünf
völlig neue Settings auf die Bühne. Der zweite Akt zieht eine einzige Episode durch.
Der Dritte hat deren zwei. Für Abwechslung ist also gesorgt :
In einem Praeludium comicum meint der prahlerische Soldat Trisignor Ferricrepus Thraso
(„Dreifacher Herr Eisenklapper Bramarbas“), es finde eine Aufführung zu Ehren seiner
Trisignoreitas statt, und erzählt aus seiner glorreichen Kriegsvergangenheit, bis er von eini-
gen Bediensteten fortgescheucht wird. Ein Interlocutor („Sprecher“) erklärt einem Spec-
tator („Zuschauer“) das bevorstehende Schauspiel. Diese beiden Figuren bleiben während
des ganzen Stücks auf der Bühne und geben ihre Kommentare ab.17
1. Akt : Ein betrunkener Edelmann möchte sich zuhause die Stiefel ausziehen lassen und
ruft dazu im Scherz statt seines Dieners den Teufel. Dieser kommt tatsächlich, zieht ihm
die Stiefel aus und schlägt sie ihm um die Ohren (1). Der Teufel kommt zum Schmied
Dunstan, um diesen in Gestalt einer schönen Frau zu verführen. Dunstan scheint zuerst
auf das Angebot einzugehen, packt dann den Teufel aber mit einer glühenden Zange an
der Nase, sodass er zum Gespött wird (2). Der bekehrte japanische Christ Ludovicus de-
monstriert seinem Bruder anhand eines Buches, das die eben gesehene Dunstan-Episode
erzählt, die Machtlosigkeit der Dämonen (3). Ein japanischer Götzenpriester hat diese
Unterhaltung mit angehört und erzählt, um Ludovicus zu widerlegen, von einem Chris-
ten, in den der Teufel gefahren sei. Ein Gehilfe des Priesters stellt diese Szene im Scherz
nach, wird dann aber tatsächlich vom Teufel befallen und schließlich von Ludovicus erlöst
(4). Der Diener des Spectator berichtet, ein Fass stehe vor der Tür. Es wird hereingerollt,
stinkt fürchterlich und in seinem Inneren bellt etwas. Als man es öffnet, spaziert der Ky-
niker Diogenes heraus und preist sein Glück als bedürfnisloser Philosoph. Er brüstet sich
16 Iocus serius theatralis seu aliquot exempla serio iocantium una cum Genesio mimo inter iocandum serio
per baptismum ad Christum converso glorioso martyre (Iocus serius theatralis. Das ist : Etliche namhaffte
Historien / in welchen zusehen / wie das Schertzen vilmahlen in Ernst verkehrt worden. Sonderlich in
dem H. Genesio Mimo).
17 Das im Jesuitendrama verbreitete Motiv des Spieler-Zuschauers (vgl. Sprengel 1987, besonders
92–106 ; Stroh 2004, 257 mit Anm. 51) wird hier also in seltener Deutlichkeit verwendet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593