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Theater 457
Sprache
modernes
Rezeptionsbeispiel
Prinzen und junge
Führer
anderen auf den Umgang mit dem Christentum, worunter in der Aufführungssi-
tuation nur der von den Jesuiten repräsentierte Katholizismus verstanden werden
konnte.
Seinen Witz erhält das statt wie meist in jambischen Trimetern oder Senaren
in Prosa geschriebene Stück in erster Linie durch die pointierte und schwungvolle
Sprache. Ein einziges Element sei herausgegriffen : Zur Erzielung komischer Effekte
bedient sich Balde auch einzelner deutscher Einsprengsel im Text. So flucht etwa
der Edelmann von I,1 über seinen vermeintlichen Diener, der sich beim Ausziehen
der Stiefel nicht richtig anstellt : „ei potz sakrament. quid facis, estne hoc exuere
ocreas ?“ In III,2 wird der vergeblich nach Speis und Trank langende Kaiser von
seiner Frau und seinen Dienern mit einem „gudigudigudi“ gehänselt. Auf den im
Chor vorgebrachten Ausruf „O rex Assyriorum“ assonieren anschließend die kaum
mehr verständlichen Verspottungen „Schnipf Schnepf Schnedrium“ und „glin-
glanglorium“. Der für Balde kennzeichnende spielerische Umgang mit der Sprache
lässt sich schon in diesem frühen, von Valentin 1972a, 415 als „eine Summe von
Versprechungen“ bezeichneten Drama feststellen.
Die Bühnenwirksamkeit des in mancher Hinsicht aus dem Rahmen fallenden
Stücks dürfte jedenfalls seit der 2004 erfolgten modernen Wiederaufführung des
Iocus feststehen. Eine Theatergruppe des Münchner Wilhelmsgymnasiums unter
der Regie von Martin Hann präsentierte das Stück erstmals anlässlich der zum 400.
Geburtstag Baldes abgehaltenen Tagung „Jacob Balde im kulturellen Kontext seiner
Epoche“ in Freising. Wegen des großen Erfolgs wurde der Iocus dann noch im sel-
ben Jahr in Innsbruck, der Stätte seiner Entstehung, wiederholt.
Nach dem Tod Erzherzog Leopolds 1632 regierte seine Frau Claudia Tirol in
Vertretung ihres ältesten, aber noch minderjährigen Sohnes Ferdinand Karl. Eine
neue Verbindung zwischen dem Jesuitendrama und der erzherzoglichen Familie
ergab sich dadurch, dass beide Söhne Leopolds und Claudias, Ferdinand Karl und
Sigmund Franz, Schüler des Innsbrucker Jesuitengymnasiums wurden (ihr Vater
Leopold hatte testamentarisch verfügt, dass sie von Jesuiten erzogen werden soll-
ten). Wie alle Schüler spielte auch der fürstliche Nachwuchs in Theateraufführun-
gen mit. Es ist kein Zufall, dass in einigen dieser Stücke Kinder und Jugendliche
bzw. Fragen der Erziehung im Zentrum stehen. 1636 spielten der achtjährige Fer-
dinand Karl und der sechsjährige Sigmund Franz in einem zu Ehren von Claudias
Geburtstag aufgeführten Drama David adolescens princeps iuventutis („Der junge
David, Fürst der Jugend“). Zum Namenstag Ferdinand Karls wirkten 1642 wiede-
rum beide Erzherzoge in einem Salomon adolescens („Der junge Salomon“) mit (vgl.
Zwanowetz 1981, 179–180 ; Weiss 2004, 167). Die Absicht, mit diesen Dramen die
darin auftretenden Prinzen zu vorbildhaften christlichen Herrschern zu erziehen,
liegt auf der Hand. Die panegyrische Absicht trifft sich also mit der didaktischen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593