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458 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Tyrolis pacifica
Friedensspiel Funktion eines Fürstenspiegels. Am Ende der Regierungszeit Claudias und am An-
fang der Herrschaft Ferdinand Karls steht schließlich – wieder zum Anlass einer
fürstlichen Hochzeit – ein großes patriotisches Festspiel, das an Aufwand seiner
Inszenierung alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt.
Die Tyrolis pacifica („Das friedliche Tirol“) bildet den spektakulären Höhe-
punkt des barocken Jesuitendramas in Innsbruck (Edition von Tilg 2002 ; vgl. Tilg
2005c). Das Stück wurde 1646 in der Aula des Innsbrucker Jesuitengymnasiums
zur Hochzeit des Tiroler Erzherzogs Ferdinand Karl (1628–1662) mit seiner Cou-
sine Anna de’ Medici (1616–1676) aufgeführt. Neben Tyrolis pacifica trug es auch
den Titel Spes aurei saeculi („Hoffnung auf ein goldenes Zeitalter“), was wohl die
ursprünglichere und offiziellere Bezeichnung war. So wird das Drama nämlich in
der Perioche genannt (vgl. Abb. 65). Der zweite Titel, Tyrolis pacifica, stammt vom
Schreiber der einzigen erhaltenen Hs. (TLMF, Dip. 447/1). Das hervorstechende
Merkmal der Tyrolis pacifica ist ihre weitgehende Annäherung an die damals noch
junge höfische Oper. Das Stück wurde fast durchgängig zu Orchestermusik gesun-
gen. Wenige rezitierte Partien bildeten die Ausnahme. Allerdings kann man die
musikalische Vortragsweise des Dramas heute nur mehr durch Berichte von Zu-
schauern und durch Hinweise im Text in Form von Anweisungen für Sänger und
Orchester erschließen. Die Notation der Musik, die es bei einem Stück von rund
fünf Stunden Spieldauer wohl gegeben haben muss, ist verloren. Die Bedingungen
für eine Rezeption der höfischen Oper im Jesuitendrama wurden in den Jahrzehn-
ten vor dieser Aufführung mit dem Import italienischer Festkultur geschaffen, die
ja, wie bereits gesehen, unter Leopold und Claudia schon zu mehreren musikalisch
untermalten Aufführungen Anlass gab. Mit Leopold verbunden ist auch die Durch-
setzung des für die Oper erforderlichen monodischen stile nuovo in der Innsbrucker
Hofmusik im Gegensatz zur früher vorherrschenden Polyphonie. Ferdinand Karl
schließlich, der später zum ‚Begründer‘ der Oper in Innsbruck wurde, entwickelte
seine Begeisterung für Theater und Musik schon als Schüler des Innsbrucker Jesui-
tengymnasiums. Dass die Jesuiten, die dem Hof unter Leopold und Claudia enger
denn je verbunden waren, zur Vermählung des neuen Regenten Ferdinand Karl
mit einer regelrechten Hochzeitsoper aufwarteten, ist also kein Zufall, sondern ent-
spricht genau den Vorlieben des Landesherren.
Ferdinand Karl, der nur wenige Monate vor der Aufführung des Stücks die Re-
gierung Tirols übernommen hatte, war gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges ein
politischer Hoffnungsträger. Zwar blieb Tirol von den kriegerischen Ereignissen
weitgehend verschont, doch war es wirtschaftlich erheblich betroffen, weil etwa die
Handelswege nach Bayern unterbrochen waren. In der Tyrolis pacifica wird aus die-
ser Situation heraus ein Wunschbild gezeichnet : Der Friedensfürst Ferdinand Karl
herrscht in Eintracht und Frieden über das vom Krieg unberührte Land Tirol. Die
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593