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Theater 463
Autorschaft
erste ‚Oper‘ in
Tirol
Inn : Von den Tränen der Elenden schwellen sie an.
Etsch : Süßwasser schmeckt mir besser als salziges. – Aber sollen die Sterblichen fallen,
sollen sie sich auflösen, dieses harte Geschlecht der Pyrrha,19 solang unter diesen Übeln
die Flüsse frei fließen !
Leider lassen sich bezüglich der Autorschaft des Stücks nur Vermutungen anstellen.
Einige Indizien weisen auf den aus Innichen im Pustertal stammenden Vitus Dinzl
(1596–1654) hin, der 1646 in Innsbruck die Poesie-Klasse unterrichtete. Im dem
in der historia domus (Bd. 1, 407) des Innsbrucker Kollegs enthaltenen Nachruf auf
ihn werden seine dramaturgischen Fähigkeiten eigens hervorgehoben, was in Kurz-
biographien dieser Art selten der Fall ist. Wichtiger als diese grundsätzliche Auswei-
sung als Dramenschreiber ist aber die Information über das Publikum, das Dinzl
v.a. angesprochen habe : laut dem Nachruf hatte er „nicht so sehr beim ungebilde-
ten Volk, als bei den höchsten Fürsten […] den erwünschten Beifall und den davon
erhofften Erfolg“ (non tam apud imperitum vulgus, quam summos Principes […] et
optatum plausum et speratum inde fructum tulit). Da bei keiner anderen Aufführung
eines Jesuitendramas in dieser Epoche so viel Prominenz wie bei der Tyrolis pacifica
anwesend war (neben dem Innsbrucker Hofstaat noch eine illustre Abordnung der
Medici aus Florenz), ist diese Bemerkung ein gutes Argument für die Autorschaft
Dinzls. Letzte Sicherheit gibt sie allerdings nicht. Noch schwieriger ist eine Antwort
auf die Frage nach dem Komponisten, nach Sängern und Musikern. Grundsätzlich
war es durchaus üblich, dass die Jesuiten gerade bei Festspielen auf Künstler des
Innsbrucker Hofes zurückgriffen. Seit 1663 werden die Namen der jeweiligen Hof-
kapellmeister in den Periochen als für die Musik verantwortlich genannt. Vielleicht
war es also der damals weit über die Grenzen Tirols hinaus hoch geschätzte Johann
Stadlmayr (ca. 1575–1648 ; Innsbrucker Hofkapellmeister 1607–1648), der für die
Komposition verantwortlich zeichnete. Für Sänger und Orchestermusiker schließ-
lich fehlt jeder Anhaltspunkt.
Die Tyrolis pacifica steht theatergeschichtlich am Beginn der Einbürgerung der
italienischen Oper in Innsbruck. Seit der Regierungszeit Leopolds V. hatte sich die
Musikkultur am Innsbrucker Hof zusehends verweltlicht. Höfische Festveranstal-
tungen wie das unter Leopold beliebte dramaturgisch inszenierte Ballett bereiteten
den Übergang zur Opernform vor. Wenige Jahre nach der Tyrolis pacifica, 1653, ließ
Ferdinand Karl an der Stelle des heutigen Tiroler Landestheaters ein eigenes Opern-
19 In der antiken Mythologie die Stammmutter der Menschen nach der großen Flut, die Jupiter als
Strafe für deren moralische Verkommenheit sandte. Auf einen Orakelspruch hin wirft sie zusam-
men mit ihrem Gemahl Deukalion Steine hinter sich, aus denen die künftigen ‚harten‘ Menschen
hervorgehen (vgl. z.B. Ov. met. 1,348–415).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593