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468 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Gattung
Kardinalswürde
Rede von
Guarinonius Die Rede ordnet sich durch ihren Titel selbst dem Genus des Panegyricus, d.h.
der Festrede zu. Obwohl dieser Begriff verschwommen ist und bereits in der An-
tike synonym mit „Lobrede“ gebraucht werden konnte, scheint Inama sich seiner
ursprünglichen Bedeutung bewusst zu sein : Neben dem zu Feiernden werden auch
die prunkvollen Festlichkeiten in Trient, in deren Rahmen die Rede vorgetragen
wurde, häufig erwähnt und mit vielen Details wie Salutschüssen, Triumphpforten
und last not least zahlreichen anderen Reden beschrieben. Öfters (Bl. 2v, 4rv, 5v,
18v) spricht Inama dabei aus der Perspektive der glücklichen Untertanen, einmal
(Bl. 16v) sogar in Form einer Prosopopoiie der patria.
Die größte Sorgfalt hat Inama auf den ersten Teil seiner Rede verwandt, der
bereits im Titel durch den Zusatz satis accurata nec parum subtilis de sacrosancto car-
dinalium ordine […] commentatio („recht genaue und ziemlich scharfsinnige […]
Abhandlung über den hochheiligen Stand der Kardinäle“) hervorgehoben wird.
In diesem Abschnitt argumentiert er ‚wissenschaftlicher‘ und gelehrter als im Rest
der Rede. So erläutert er auf Bl. 6v–7r die Etymologie des Wortes „Kardinal“, was
er auf Bl. 9r–10r wieder aufgreift, um eine Brücke zu den Kardinaltugenden zu
schlagen, die in einem Exkurs diskutiert werden und deren Besitz den Kardinälen
zugeschrieben wird. Auf Bl. 7rv beweist er mit den Mitteln der Bibelexegese, dass
die Kardinalswürde über dem Priestertum steht : Sie übertrifft dieses insofern an
Alter und damit auch an Würde und Bedeutung, als die Kardinäle im NT durch
die Apostel an sich präfiguriert sind, während das Priestertum erst beim letzten
Abendmahl konstituiert wird. Auf Bl. 7v–8r versucht er, Kardinäle schon im Rom
des 3. und 4. Jhs. nachzuweisen, und stützt sich dabei u.a. auf die Konstantinische
Schenkung, deren Unechtheit eigentlich schon seit über 150 Jahren bewiesen war,
was aber innerhalb der katholischen Kirche nur zögernd anerkannt wurde. Weitere
Autoritäten, auf die er sich beruft, sind Augustinus und Petrus Damianus, ein Kir-
chenreformer und Schriftsteller des 11. Jhs. (Bl. 9v–10r, 10v). Das Beweisziel seiner
Argumentation ist freilich kein wissenschaftliches, sondern ein panegyrisches : Um
Carlo Gaudenzio zu schmeicheln, will er demonstrieren, dass „Ehre und Erhaben-
heit der Kardinalswürde schlechthin unvergleichlich sind“ (Bl. 8v).
Inamas Panegyricus lässt sich eine weitere Rede zur Seite stellen, welche Hippo-
lytus Guarinonius (vgl. hier S. 564–576) zum selben Anlass im Auftrag der Tri-
entner Ärzteschaft wahrscheinlich verfasste, sicher vortrug3 und ebenfalls in Trient
drucken ließ. Obwohl er nicht wie Inama im Namen der Gesamtbevölkerung des
Bistums spricht (was er auf Bl. A2v auch ausdrücklich erwähnt), gibt es im Inhalt
3 Der Titel nennt Guarinonius perorator – ein lexikographisch nicht erfasster Ausdruck, der sich aber
nur auf den Vortrag der Rede beziehen kann. Dass Guarinonius sie auch verfasst hat, ist aufgrund
seiner schriftstellerischen Begabung plausibel.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593