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484 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Anthippolithus aus dem Innsbrucker Konvent geworfen. Letztendlich gab eine Weisung von Erz-
herzog Sigmund Franz den Ausschlag, dass Lequile 1659 nach Rom abreiste. Dort
lebte er bis zu seinem Tod 1673 und veröffentlichte weitere Werke zur Geschichte
des Franziskanerordens. Lequile war ein sehr produktiver Autor, der sich auf den
Gebieten der Predigt, Theologie, Dichtung, Panegyrik, Theater und Geschichts-
schreibung betätigte.2 Im Folgenden werden nur die in Tirol entstandenen lat.
Geschichtswerke vorgestellt.
Lequiles erstes Werk im Dienste der habsburgischen Geschichtspropaganda
war der 1652 unter einem Pseudonym veröffentlichte Anthippolithus seu calamus
apologeticus („Anthippolithus oder apologetische Feder“), eine Polemik gegen den
berüchtigten Hippolytus a Lapide. Unter diesem Pseudonym hatte Bogislaw Phi-
lipp von Chemnitz (1605–1678), ein deutscher Jurist in schwedischen Diensten,
zwischen 1640 und 1646 seine Dissertatio de ratione status in imperio nostro Romano-
Germanico („Abhandlung über Staatsräson in unserem römisch-deutschen Reich“)3
veröffentlicht. Die Dissertatio, eine der bedeutendsten staatsrechtlichen Schriften
des 17. Jhs., ist ein systematisches, auf historischen Argumenten fußendes Plädoyer
für die Neuverteilung der Macht im Reich und gleichzeitig eine in äußerst gehässi-
gem Ton gehaltene Generalabrechnung mit den Habsburgern und ihrem Anspruch
auf die Kaiserkrone. Die Schrift, welche sich im Dreißigjährigen Krieg während
der Vorbereitungen für einen Friedensschluss rasch verbreitete, hatte enorme pro-
pagandistische Wirkung und provozierte eine Reihe heftiger Stellungnahmen, u.a
eben vom neuen Innsbrucker Hofprediger. Lequile schrieb seine Replik unter dem
Namen David Fratuscus. Während sich Fratuscus auf seinen Stand (frater, d.h. Or-
densgeistlicher) und seine Herkunft (Tuscus, Etrusker, d.h. Italiener) bezieht, steht
der Name David für seine Aufgabe, den neuen deutschen Goliath zur Strecke zu
bringen, wofür er, dem biblischen David gleich, im Vertrauen auf Gott fünf Steine,
nämlich fünf Invektiven, vorbereitet. Lequile greift mit ihnen Aspekte der gegne-
rischen Schrift an : Frontispiz (vgl. Abb. 69 und Abb. 70) und Titel, Schmähungen
gegen die Habsburger, die Vorstellung, dass die Kurfürsten bei der Kaiserwahl völ-
lige Freiheit hätten, Hippolytus’ Verstöße gegen die historische Wahrheit und seine
Polemik gegen die erzherzogliche Würde des österreichischen Hauses. Während Le-
quile seinen Gegner in der Tonschärfe mühelos überbietet (dass er ihn einen Hund
schimpft, gehört noch zu seinen milderen Ausdrücken), kommt er ihm weder an
2 Eine autobiographische Skizze Lequiles mit einem kommentierten Schriftenverzeichnis enthält der
zweite Band seiner Hierarchia Franciscana, Rom 1664, 549–556. Wichtige Informationen über sein
Wirken in Tirol finden sich im Schwazer Franziskanerkloster (z.B. OFM SW, Cod. 3, 19 und 25).
3 Die erste Ausgabe, ohne Drucker- und Ortsangabe, trägt die Jahreszahl 1640, was jedoch bewusst
in die Irre führen könnte.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593