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Geschichtsschreibung 501
Reineccius und
Plutarch
Die sieben Teile sind nach den sieben griechischen Weisen benannt. Der erste, Solon Fran-
ciscanus, gedruckt in zwei Bänden (Innsbruck 1649 und 1650), behandelt die ruhmreichen
Taten der Franziskaner, im zweiten Band besonders solche in Amerika und Asien. Der
zweite Teil, Bias Franciscanus (Innsbruck 1650), beschäftigt sich mit den Päpsten, die ent-
weder aus dem Franziskanerorden stammten oder nach ihrer Wahl diesem beitraten. Der
dritte, Thales Franciscanus (Innsbruck 1650 [deutsch] bzw. 1654 [lat.]), hat die Verbunden-
heit der Kaiser und österreichischen Erzherzöge mit dem Orden zum Thema. Der vierte,
Cleobulus Franciscanus (Innsbruck 1661), befasst sich mit der Beliebtheit der Franziska-
ner bei den französischen Königen, besonders bei Ludwig dem Heiligen (1215–1270),
sowie bei den spanischen Königshäusern. Der fünfte Teil, Pittacus Franciscanus (Innsbruck
1652), behandelt die Königshäuser von Sizilien, Ungarn, Polen, Armenien, Dänemark,
Schweden, England und Portugal. Der sechste Teil, Chilo Franciscanus (Innsbruck 1653
[deutsch] bzw. 1656 [lat.]) zeigt die vollkommene Übereinstimmung des Franziskaneror-
dens mit der katholischen Kirche. Der letzte Teil, Periander Franciscanus (Innsbruck 1656),
befasst sich mit den Taten der Kardinäle aus dem Franziskanerorden.
Die Sieben Weisen bestimmen nicht bloß die Titel der Werkteile, auch Argumen-
tation und z.T. Thematik wählt Reineccius in Einklang mit den Äußerungen der
Weisen, wie sie in Plutarchs Dialog Gastmahl der Sieben Weisen dargestellt sind,
wo sie u.a. über die Beschaffenheit des besten Hauses diskutieren. Reineccius
übernimmt diese Äußerungen im jeweiligen Teil als Leitgedanken. Als Beispiel
kann die Meinung Chilons dienen, der bei Plutarch (mor. 155 D) darlegt, dass
ihm jenes Haus am besten eingerichtet scheine, welches den von einem König
regierten Staat nachahme. Reineccius stellt analog dazu im sechsten Teil seines
Werkes die katholische Kirche als den von Gott regierten Staat dar und zeigt,
dass sich der Franziskanerorden, sozusagen als Haus im Staat, in allem nach der
Kirche richtet. Dabei folgt er den vom franziskanischen Gelehrten Johannes Duns
Scotus (ca. 1265–1308) vorgegebenen sogenannten zehn Wegen, auf denen ge-
zeigt wird, dass die katholische Kirche der Staat Gottes ist (z.B. die Verkündigung
der Propheten, die Irrationalität der Gegner, die Beweiskraft der Wunder oder
die Standhaftigkeit der Märtyrer). Reineccius legt zuerst jeweils einen Beweis in
Bezug auf die gesamte Kirche dar und erweitert dann die Argumentation auf
den Franziskanerorden. Beispielsweise zeige sich die Beständigkeit der Kirche, ei-
ner der zehn Wege, in der ununterbrochenen apostolischen Nachfolge ; bei den
Franziskanern entspreche dem die kontinuierliche Reihe der Generalminister des
Ordens. In diese Argumentation eingebettet folgt eine Geschichte der Generalmi-
nister und ihrer Taten. Analog dazu werden die Geschichte der franziskanischen
Wunder oder die der Märtyrer unter den Franziskanern, z.B. bei der Mission in
Südamerika oder Japan, in die jeweilige Argumentation eingebettet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593