Seite - 520 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 520 -
Text der Seite - 520 -
520 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Stephani,
Copiae litterarum
Adressaten,
Themen ren Darstellung der eigenen Position und zur Herabsetzung des Gegners. Schon mit
dem Beginn, Francisco Cimae medicinae doctori salutem et modestiam dicit Johannes
Michael Bayer („Johannes Michael Bayer wünscht Francesco Cima, Doktor der Me-
dizin, Wohlergehen – und Bescheidenheit“) variiert er wirkungsvoll das herkömm-
liche Briefformular. Im Folgenden bedient er sich wo immer möglich der Du-Form,
wobei er Cima als unerfahren und überheblich charakterisiert, sein schlechtes Lat.
und seine mageren Griechischkenntnisse anprangert und ihn herablassend-ironisch
bis sarkastisch behandelt (z.B. Nolo hic quos hinc inde dextrorsum et sinistrorsum
fecisti saltus sequi [46 ; „Die Gedankensprünge nach rechts und links, die du von
diesem Punkt an gemacht hast, möchte ich hier gar nicht nachvollziehen“]). Die
Briefform hindert Bayer auch nicht daran, selbst ein gelehrtes Werk zu verfassen :
Der junge Arzt nutzt jede Gelegenheit, um durch den häufigen Gebrauch griechi-
scher termini technici sowie eine Fülle z.T. umfangreicher Zitate, v.a. aus Hippokra-
tes und Aristoteles, die eigene fachliche Kompetenz zu demonstrieren.
Während die bisher besprochenen Briefe (mit Ausnahme derer von Herschl und
Crosini) von Anfang an für die Öffentlichkeit bestimmt waren, ist das bei der ein-
zigen größeren aus dieser Epoche erhaltenen Korrespondenz nicht der Fall. Es han-
delt sich um den Codex Stams, D 24, den Benedikt Stephani (1613–1672), der
langjährige Prior des Klosters, mit eigenhändigen Abschriften seiner Briefe gefüllt
hat (Ausgabe : Schaffenrath 2006, zu Stephanis Leben dort 11–12). Diese Copiae
litterarum ad diversos ab anno Christi 1640 („Kopien von Briefen an verschiedene
Adressaten ab dem Jahr 1640“, vgl. Abb. 80) sind schon rein umfangsmäßig ein
eindrucksvolles Dokument : Auf 544 Seiten (272 nummerierten Blättern) zu ca. 32
Zeilen finden sich etwa 600 Briefe von durchschnittlich knapp einer Seite Länge.
Sie sind mit wenigen auf Versehen zurückzuführenden Ausnahmen chronologisch
geordnet und umfassen vom 9. 10. 1640 bis zum 10. 8. 1671 einen Zeitraum von
gut drei Jahrzehnten. Das Datum steht jeweils zusammen mit dem Adressaten vor
dem betreffenden Brief, manchmal auch nochmals am Schluss. Dass die Briefe
von Stephani selbst stammen, wird trotz der immer fehlenden Unterschrift durch
eine autobiographische Notiz auf Bl. 6v klar : Neben einem Brief vom 26. 3. 1644
(Nr. 12) steht Prima epistula, quam scripsi factus prior („Der erste Brief, den ich
nach meiner Ernennung zum Prior geschrieben habe“) ; Stephani trat dieses Amt
am 9. 3. 1644 an. Allerdings schreibt er nicht immer in seinem eigenen Namen,
sondern spricht oft für seinen jeweiligen Abt, was dann durch ein zu Beginn hin-
zugefügtes in nomine Reverendissimi domini Abbatis nostri („im Namen unseres ehr-
würdigsten Herrn Abts“) o.ä. kenntlich gemacht wird.
Letzteres geschieht v.a. in Briefen an Äbte anderer Klöster, denen gegenüber die
Stamser Oberen es offenbar für angemessen hielten, selbst in der ersten Person zu
sprechen. Weitaus am häufigsten werden die Äbte von Kaisheim angeschrieben,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593