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Theologie und kirchliches Schrifttum 529
Wesen der
Eucharistie
Größe der Hostie
gleichgeordnet (Kap. 10, S. 43). Mit der Eucharistie steht dieser Gedanke insofern
in Zusammenhang, als die Kommunion auch die Zusammengehörigkeit der an der
Eucharistie Teilnehmenden darstellt und bestärkt (LThK 6, 219–220). Um seine
Argumentation zu untermauern, referiert Milensio alttestamentliche Ereignisse, so
z.B. die Geschichte von Korach, Datan und Abiram, die sich gegen Moses und
seine Vorrangstellung erhoben und zur Strafe in der Erde versanken (Nm 16,1–35 ;
Kap. 9, S. 34–35). Gerade dieses Beispiel soll auch kontrastiv wirken, denn anders
als die drei Rebellen wurde Oswald von der Erde nur teilweise verschlungen und
erhielt so die Chance zur Umkehr. Dem Priester, der sich durch besonderes Wissen
auszeichnet, schreibt Milensio geistliche Leitungsfunktionen zu, mit denen Verant-
wortung für die ihm Anvertrauten aller Stände verbunden ist (Kap. 5, 6, 9, 20).
Der Abschnitt, in dem sich Milensio der im engeren Sinne theologischen Frage
nach dem Wesen der Eucharistie widmet, beginnt mit einer kenntnisreichen Dar-
legung der Formen des Opfers in alttestamentlicher Zeit (Kap. 15), ein Zugang
zum Thema, der auch bei Thomas von Aquin vorkommt (Wohlmuth 2002, 95).
Die in der Zeit des Gesetzes gegebene Vielfalt (s. dazu Hahn 1983) wird durch
die Hostie des Evangeliums ersetzt, wodurch die früheren Formen den Charakter
des Vorläufigen erhalten (Kap. 16). In den folgenden Kapiteln erklärt Milensio die
Eucharistie nach tridentinischem Verständnis, wobei er sachlich korrekt zentrale
Wesensmerkmale hervorhebt.2 In der somatischen Realpräsenz, welche die Folge
der durch die Konsekration bewirkten Transsubstantiation ist, verdichtet sich die
Gegenwart Christi und seiner Heilstaten. Die Konsekration beschreibt Milensio als
Trennung von Substanz und Akzidens (Kap. 18), wobei er betont, dass die Substanz
nichts physikalisch Dinghaftes, sondern das intelligible Wesen eines Seienden sei :
Nicht die Akzidentien, also die Materien Brot und Wein, würden gewandelt – diese
blieben Symbol –, sondern die Substanz als Wesen. Es gebe daher viele spirituales
hostiae, aber nur eine sacramentalis hostia (Kap. 18, S. 80 ; „Hostien im spirituellen
Sinn“ bzw. „Hostie als Sakrament“). Vor der Konsekration hätten die Gaben als
natürliche, d.h. dem Menschen eignende Substanzen eine Vielzahl symbolischer
Bedeutungen, die nach diesem Akt zu einer einzigen würden.
Aus diesem Verständnis leitet Milensio in der Folge seine auf den Anlassfall
bezogenen Überlegungen zur Hostie ab : Der Leib Christi sei in einer größeren
und einer kleineren Hostie im selben Maße enthalten, in beiden stecke dieselbe
Kraft, denn quantitas dividitur in quantitatem molis et quantitatem virtutis (Kap.
21, S.
102 ; „Größe ist zweifach zu verstehen : als Größe im materiellen Sinn und als
Größe der Tugend“). Da es nach der Konsekration nur mehr die eine Hostie gebe,
seien Unterscheidungen hinsichtlich der Substanz nicht mehr möglich : Die unter-
2 Vgl. etwa Iserloh 1979, 349–351 ; Schneider 1983 ; LThK 3, 947 ; LThK 10, 180 ; Wohlmuth 2002.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593