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Theologie und kirchliches Schrifttum 537
Rast, Predigten in
St. Martin
Inhalte
Ein großes Problem der Predigtgeschichte stellt der Umstand dar, dass die Primär-
quellen oft sehr dünn gesät sind. In Tirol haben sich neben den bereits diskutierten
Cusanus-Predigten (vgl. hier S. 180–181) nur wenige einschlägige Texte erhalten.
Umso höherer Stellenwert kommt in der vorliegenden Epoche der lat. Niederschrift
von sechs im August und September 1601 in der Schwazer Kirche St. Martin von
Bernhard Rast OFM gehaltenen Ansprachen zu, die sich in der Hs. OFM SW,
QI/3-082–QI/3-087 erhalten haben. Der in Dillingen geborene Reformat Rast, der
1595 als Guardian des Bozner Klosters gewirkt hatte, starb 1621 in Schwaz (Weis
1946, 110). Was er in St. Martin vortrug, kann allerdings kaum als paradigmatisch
für die insgesamt herrschenden Gepflogenheiten des Predigens gelten. Er sprach
dort nämlich nicht im Rahmen einer pfarrlichen Struktur, sondern in einem Klos-
ter von in strenger Klausur lebenden Augustiner-Eremitinnen, also in einem Raum
exklusiver Frömmigkeit.
Die im Folgenden dargelegten Beobachtungen stützen sich auf zwei der besagten
Predigten, die am 26. August bzw. am 10. September 1601 vorgetragen wurden :
Thema der ersten sind die humilitas („Demut“) und ihr Gegenteil, die superbia
(„Hochmut“).
Als erster Gewährsmann der Demut wird Christus angeführt, den Gott zu den Menschen
gesandt hat, auf dass er ihnen durch sein Leiden ein Beispiel gebe. Ihre Voraussetzungen
sind die Kardinaltugenden, die einzeln erläutert werden. Hochmut dagegen ist deshalb zu
meiden, weil er die Wurzel aller anderen Sünden ist, den Abfall der Menschen von Gott
zur Folge hat und große Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Er drückt sich in einem
ungerechtfertigten Gefühl von Glück und Sicherheit sowie in Überschätzung des Men-
schenwerks mit damit einhergehender Selbstherrlichkeit aus. Die Folgen zeigen sich im
Sturz der Menschen aus hohen Positionen, in Gottes Zorn und im Verlust der seelischen
Ausgeglichenheit bis hin zum Wahnsinn.
Die zweite Predigt war auf ein besonderes Ereignis abgestimmt : Sie wurde – in
Gegenwart von Vertretern des Hauses Habsburg – aus Anlass der Profess einer Or-
densfrau gehalten.
Nach einem Lob des monastischen Lebens i.A. werden in Gestalt einer Klimax drei Vo-
raussetzungen für die Berufung zum Ordensstand genannt : die im Vaterunser zum Aus-
druck kommende natürliche Gotteskindschaft, die Befreiung von der Erbsünde durch die
Taufe und die Nachahmung Christi. Auf diese rund ein Viertel der Ansprache umfassende
Einleitung folgt die Darlegung zunächst allgemeiner, dann besonderer Aspekte des Lebens
im Orden.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593