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538 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
sermo
Bildungswissen
Schoppe
und Forer Beide Ansprachen sind inhaltlich geschlossen und weisen eine scholastisch wir-
kende vielschichtige Gliederung des Stoffes auf. Diese Kennzeichen machen sie zu
Musterbeispielen der Gattung sermo. Ihr Vortrag dürfte jeweils rund eine Stunde
gedauert haben, was bei dem seit dem 15. Jh. geltenden Standard (Niederkofler
1964, 120) keineswegs außerhalb der Norm liegt.
Der beachtliche Umfang ist in erster Linie eine Folge hoher Redundanz, die
ihrerseits auf das Streben nach Eindringlichkeit zurückzuführen ist, sowie des Prin-
zips, die Aussagen durch biblische Beispiele, v.a. durch solche aus dem AT, zu il-
lustrieren. Meist wird auf sie nur angespielt, entweder weil die (flüchtig geschrie-
bene) lat. Fassung nur ein Konzept für einen freien Vortrag in der Volkssprache
war, oder aber – plausibler – weil die genaue Kenntnis der Inhalte vorausgesetzt
wurde : Der Prediger sprach zu einem Publikum von Insidern. Neben so bekannten
Erzählungen wie jener vom Sündenfall, von Sodom und Gomorrha oder vom ver-
lorenen Sohn sowie Persönlichkeiten wie Abraham, Saul und David werden auch
weniger geläufige Stellen bzw. Personen wie die Heerführer Asarja und Gorgias (1
Makk 5,55–68) oder das sündige Paar Hananias und Saphira (Apg 5,1–11) zitiert.
Darüber hinaus werden auch die Namen großer Theologen (Thomas von Aquin,
Bonaventura, Martinus von Biberach) sowie weltliches Bildungswissen vorausge-
setzt, wie die Anspielung auf den Streit der sieben Städte zeigt, die alle die Heimat
Homers sein wollten.
Seit den frühen 1630er-Jahren entwickelte sich der berühmte katholische Philo-
loge, Kontroverstheologe und Publizist Caspar Schoppe (1576–1649 ; vgl. Jaumann
1998 ; BBKL 18, 1261–1297) zu einem erbitterten Gegner des Jesuitenordens. In-
nerhalb weniger Jahre publizierte er unter verschiedenen Pseudonymen auf Deutsch
und v.a. Lat. rund 30 polemische Werke gegen die Gesellschaft Jesu, der er u.a. die
Schuld am Dreißigjährigen Krieg gab. Diese Attacken riefen Mitglieder des Ordens
wie Adam Contzen und Paul Laymann auf den Plan, die sich mit einer ganzen
Reihe von Schriften gegen Schoppe zur Wehr setzten. Zum wohl wichtigsten Zent-
rum des jesuitischen Gegenangriffs entwickelte sich jedoch Innsbruck, wo Laurenz
Forer das Banner der Gesellschaft hochhielt (wofür ihn Schoppe seinerseits im-
mer wieder persönlich attackierte : Strosetzki 1998, 349–353). Forer (1580–1659)
trat in Landshut in die Gesellschaft Jesu ein, wo er u.a. unter Laymann studierte,
und unterrichtete danach an verschiedenen Niederlassungen v.a. im süddeutschen
Raum, bevor er 1650 Rektor des Kollegs seiner Heimatstadt Luzern wurde. Die
Jahre 1632–1643 verbrachte er in Tirol, wohin er sich vor den Wirren des Dreißig-
jährigen Krieges zurückgezogen hatte. Einen schriftstellerischen Namen machte er
sich in erster Linie als fruchtbarer und vielseitiger Kontroversialist (ADB 7, 155 ;
CE 6, 134–135).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593