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Theologie und kirchliches Schrifttum 543
Kontrast zu Forer
rhetorische
Strategien
Annahme und lassen vermuten, dass es sich bei ihm um einen nicht besonders
sorgfältigen Nachdruck der Tiroler Erstausgabe handelt. Nach dieser wird im Fol-
genden zitiert.
Zu Beginn der Epistola drückt Holzhauser seine Sorge um die durch die Anfeindungen
verunsicherten Mitglieder seiner Gemeinschaft aus (3–5). Danach nennt und expliziert er
vier fundamenta („Grundlagen“ ; nach ihnen ist der Brief betitelt), auf die sie sich stützen
können und sollen : erstens das Vertrauen auf ihre Berufung (5–9) ; zweitens das Wissen
um den Endzweck ihrer Anfechtungen (9–13) ; drittens ihre Freiheit in Gott (13–16) ;
viertens die Überzeugung, dass der Mensch die Mittel, durch die Gott seine Ziele erreicht,
nicht von vornherein kennen kann (16–21). Nach einer überleitenden Passage (21–22)
macht den Schluss ein §
finalis („Schlussparagraph“) mit Anweisungen zur Lebensführung
und weiteren Ermahnungen zur Standhaftigkeit (22–26).
Holzhausers Brief sticht in seiner ganzen Anlage scharf von Forers Anatomia Anato-
miae ab. Diese ist ganz auf den Gegner ausgerichtet und betreibt mit großem Auf-
wand dessen moralische und intellektuelle Vernichtung. Holzhauser dagegen redet
von seinen Widersachern nur in ganz allgemeinen Begriffen (z.B. 6–7, 20) und
spricht dem Briefcharakter seines Werkes gemäß ausschließlich die Mitglieder sei-
ner eigenen Gemeinschaft an. Ein gelehrter Apparat fehlt gänzlich. Die Gliederung
ist sachlich wenig stringent ; in Wahrheit geht es Holzhauser in allen Abschnitten
prinzipiell um das Gleiche, nämlich darum, das Gottvertrauen und den Durchhal-
tewillen seiner Adressaten zu stärken. All dies entspricht dem Umstand, dass sein
Argumentationsziel zwar grundsätzlich demjenigen Forers ähnelt (ein Angriff auf
die eigene religiöse Gemeinschaft ist zurückzuschlagen), er sich dabei jedoch in ei-
ner weit schwächeren Position befindet als jener : Seine Gemeinschaft verfügt nicht
über die finanziellen, personellen und intellektuellen Ressourcen des mächtigen
Jesuitenordens.
Dennoch ist die Epistola auf ihre Art ein rhetorisch effizienter Text. Holzhausers
wiederholte Aufrufe zu Gottvertrauen und gegenseitiger Solidarität, sein Insistieren
auf dem Prüfungscharakter der aktuellen Probleme sowie die Beteuerung der Liebe
und Sorge, die er für seine Adressaten empfindet, sind durchaus geeignet, diese
moralisch zu stärken. Darüber hinaus zeigt aber schon die Publikation des Briefes,
dass es auch darum geht, der Umwelt ein bestimmtes Bild der Gemeinschaft zu ver-
mitteln : das einer frommen, tiefgläubigen Vereinigung, die auf die Anfeindungen
ihrer Umwelt nicht mit Gegenangriffen, sondern vielmehr mit Demut und Geduld
reagiert und damit zentrale Werte des Urchristentums verwirklicht, das ausdrück-
lich als Vorbild genannt wird (10) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593