Seite - 549 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 549 -
Text der Seite - 549 -
Philosophie 549
Form
Gratulations-
gedichte
Die folgenden Lehrsätze behandeln die zehn aristotelischen Kategorien im Einzelnen.
Im Unterschied zu den zwei im letzten Philosophiekapitel vorgestellten Disputati-
onen (vgl. hier S. 352–353) wird hier der Stoff – zumindest teilweise – im vollen
Sinn disputiert, d.h. nach verschiedenen Gesichtspunkten und Lehrmeinungen er-
örtert. Das stimmt wiederum mit den Vorgaben der Ratio studiorum überein, die ja
konkrete Empfehlungen zur erörternden Lösung von Problemen gibt, so den Ver-
gleich mit dem Originaltext, das Heranziehen von Parallelstellen, von autoritativen
Interpreten sowie von Gründen aus der Sache selbst. Vergleiche mit dem Original-
text kommen in unserem Beispiel nicht vor und sind in Disputationen dieser Zeit
überhaupt sehr selten. Alles Übrige findet sich reichlich. Der Text ist gespickt mit
Belegen aus Aristoteles sowie alten und neuen Autoritäten, unter denen besonders
Thomas von Aquin und zeitgenössische jesuitische Autoren hervorragen. Neben
den von der Ratio studiorum als Grundlage empfohlenen Toledo und Fonseca han-
delt es sich dabei v.a. um Vertreter der wirkmächtigen spanischen Barockscholastik
wie Francisco Suárez (1548–1617), Pedro Hurtado de Mendoza (1578–1651) oder
Rodrigo de Arriaga (1592–1667). Teilweise unter Berufung auf solche Autoritäten,
teilweise auch nur auf die Sache selbst konzentriert, werden die einzelnen Lehrsätze
in dem typischen sprachlich trockenen, gedanklich dichten und voraussetzungsrei-
chen Stil der Disputationen erörtert.
Den Abschluss der Disputation bilden zwei Gratulationsgedichte. Das kürzere
der beiden besteht aus nur fünf jambischen Trimetern und unterstreicht die ‚famili-
äre‘ Note dieser Schrift : Es stammt nämlich von Ignaz Weinhart (1617–1684 ; vgl.
Hye 1970, 63–69), einem weiteren Bruder des disputierenden Bruderpaars. In sei-
nen Versen ist vom „Gordischen Knoten“ (nodus Gordius) und von den „Tücken der
Sophisten“ (Sophistarum dolos) die Rede, welche Paul d.J. und Kaspar überwunden
haben : Sed has minas ridete, vos Fratres duo („doch diese Bedrohungen verlacht, ihr
beiden Brüder“). Das längere der Gedichte ist in Hexametern verfasst und stammt
von anonymen Mitschülern. Der Ruhm in der Wissenschaft wird wetteifernd dem
Ruhm im Krieg zur Seite gestellt, die Disputation wird zu einer theatralisch ausge-
malten und siegreich bestandenen Schlacht mit Worten stilisiert. Schließlich kommt
es zu einer reizvollen Variation des Diktums von den glücklichen österreichischen
Hochzeiten : Regna alii sua conservent formidine Martis, / Austriaci vestris subdent sua
regna Camaenis (V. 30–31 ; „Andere mögen ihre Reiche durch Kriegsangst bewah-
ren, die Österreicher aber werden ihre Reiche euren Camenen unterwerfen“). Beide
Gedichte lassen das praktische Anliegen der gedruckten Disputation gut erkennen :
Die Unterstützung durch den Bruder Ignaz Weinhart zeigt zusammen mit dem
im Vorwort gegebenen Hinweis auf die Verdienste des Vaters, dass oft eine ganze
Familie hinter der durch die Disputation bekräftigten Empfehlung bei potenziellen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593