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554 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Kontingenz ein kleines Quantum zur Verfügung. Aus dem auf diese Weise natürlich entstehen-
den Fötus entstehe erst dadurch ein Mensch (so sage es auch die Medizin), dass er
nach ca. einem Monat von göttlicher Seite eine rationale Seele erhalte.
Die zweite Frage beschäftigt sich mit dem schon bei Aristoteles (vgl. De inter-
pretatione 9, an. pr. 13) gegebenen Problem der Kontingenz : Unde nam proveniat,
quod haec numero causa producat hos numero et non alios effectus ; […] cur haec nu-
mero rana hic in Tyroli, et non potius in Suevia producatur (Bl. 3v ; „Woher es kommt,
dass diese bestimmte Ursache diese bestimmten Wirkungen und keine anderen her-
vorbringt ; […] weshalb dieser bestimmte Frosch hier in Tirol und nicht vielmehr
in Schwaben hervorgebracht wird“). Der Autor schließt sich wieder den spanischen
Barockscholastikern der Gesellschaft Jesu an, nach denen die Individuation der
Wirkungen stets durch die erste Ursache, durch einen concursus Dei („Unterstüt-
zung Gottes“) ermöglicht wird. Diese okkasionalistische Lösung des Kontingenz-
problems werde auch von der Bibel gestützt, wo es heiße, dass Gott bestimmte
Menschen an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten erzeugt werden ließ.
Ähnliches hätten die Kirchenväter ausgedrückt, die von einer Gnade Gottes sprä-
chen, wenn man als Kind katholischer Eltern geboren werde. Dem Einwand, Gott
sei in diesem Modell auch Ursache der Sünde, wird vorgebeugt : Der Mensch fasse
im Geist einen freien Entschluss, der concursus Dei beziehe sich nur auf die Ausfüh-
rung, auf die Physis. Derselbe physische Akt könne in verschiedenen Fällen einmal
gut bzw. unbedenklich und einmal schlecht sein. So sei es ein großer Unterschied,
ob man im Wissen um die einschlägigen Verbote oder ohne Wissen am Freitag
Fleisch esse. Das Thema wird im Anschluss an die zweite Historie aus dem Leben
des Hl. Norbert fortgeführt, in dem es um seine Bekehrung geht : War sie wirklich
frei oder handelte Norbert durch die Prädetermination Gottes notwendig so ? Es
dürfte klar geworden sein, dass sich hier theologische Fragen aufs Engste mit philo-
sophischen verbinden. Die Diskrepanz zum betont ‚untheologischen‘ jesuitischen
Logikkurs ist dabei gerade bei der Behandlung des Kontingenzproblems augenfäl-
lig, fordert doch die Ratio studiorum, dass dieses nur knapp behandelt und von der
Frage des freien Willens getrennt werden soll.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593