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Medizin 569
Clauß
Oenohydromachia
(vgl. Gilly 1994), welcher durch beiderseitige Eingaben bei den Behörden und
dem Landesfürsten ausgetragen wurde, fand der Konflikt mit Clauß vor der ganzen
Gelehrtenwelt statt, da beide Kontrahenten ihre stark polemischen Schriften auch
drucken ließen.
Über Clauß’ Leben ist wenig bekannt. Nach einigen Jahren des Wanderlebens
war er 1628 als Leibarzt in den Dienst Erzherzog Leopolds V. getreten. Da ihn
seine Verpflichtungen dem Fürsten gegenüber daran hinderten, sonstige Patienten
gegen Bezahlung zu behandeln, hatte er als alleinerziehender Vater ohne Verwandte
bei der schlechten und notorisch unpünktlichen Entlohnung durch die Kammer
Schwierigkeiten, seine Kinder zu ernähren, und suchte schließlich um Entlassung
aus dem fürstlichen Dienst an. Nach dem Tod des Erzherzogs blieb Clauß in Tirol
und betrieb eine einträgliche Praxis, wobei er auch weite Wege zu entfernten Pati-
enten nicht scheute.
1638 veröffentlichte Clauß in Innsbruck seine Schrift Oenohydromachia sive vini
et aquae certamen („Oinohydromachie oder Kampf des Weins mit dem Wasser“). Sie
entstand als Reaktion auf das Buch Aloe amari sed salubris succi, ieiunium („Aloe mit
bitterem, aber gesundem Saft, das Fasten“ ; München 1637) des Münchner Hofpre-
digers Jeremias Drexel SJ. Pater Drexel, einer der bedeutendsten und bekanntesten
aszetischen Schriftsteller seiner Zeit, hatte die von Guarinonius im vierten Buch der
Grewel entwickelten Thesen über Wasser und Wein in sein Werk eingearbeitet und
ihnen dadurch zu indirekter Verbreitung verholfen. Guarinonius war der Meinung,
Wasser sei als Getränk besser und gesünder als Wein, mit Wasser gemischter Wein
gesünder als reiner, leichte Weine seien besser als starke und Tresterweine weniger
schädlich als Krätzerweine. Clauß bezog in allen Punkten die Gegenposition. Vor
allem an der Empfehlung, den Wein zu verdünnen, stieß er sich : Verwässerter Wein
sei nur in wenigen Fällen, etwa für Jugendliche, gesund, in allen anderen sehr schäd-
lich. Anhand von Zitaten aus Drexels Schrift suchte Clauß Fehler seiner Gegner –
des Guarinonius und der angeblich ebenfalls weinfeindlichen Münchner Hofärzte
– nachzuweisen : Sie würden die medizinische Terminologie unpräzise bzw. falsch
verwenden, Zitate, v.a. aus Galen, aus ihrem Kontext reißen und verfälschen und
die fundamentale Regel der Heilkunst, contraria contrariis („Gegensätzliches durch
Gegensätzliches [heilen]“), verkennen. Clauß sah sich als orthodoxer Galeniker und
lehnte alle Neuerungen, die von der ursprünglichen Lehre Galens abwichen, ab. Er
sparte nicht mit Zitaten aus Galen und Hippokrates, um zu beweisen, dass seine
Meinung mit den humoralpathologischen Grundsätzen im Einklang stand. Auch
die Bibel lieferte ihm Belege für die Vorzüge ungemischten Weins. Dabei betonte
Clauß jedoch immer wieder die Notwendigkeit, beim Weinkonsum Maß zu halten
und die Dosis je nach Lebensalter und Temperament an den Patienten anzupassen.
Clauß’ Schrift ist eine Polemik in rauem Ton, in der sachliche Argumente stets
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593