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570 Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669)
Hydroenogamia
Aufbau und Inhalt
Polemik mit der Bestrebung verquickt sind, die Gegner als ungebildet und unglaubwürdig
der Lächerlichkeit preiszugeben. Während Pater Drexel nur vorgeworfen wird, als
medizinischer Laie unter den Ärzten gerade die schlechtesten Berater gewählt zu
haben, ist Guarinonius das eigentliche Angriffsziel seines Kollegen. Seine Aggressi-
vität stellt Clauß als bewusst gewähltes Mittel dar, durch welches sein Gegner zum
Widerspruch gereizt werden sollte, damit die Streitfrage, so oder so, ein für alle Mal
geklärt werde.
Die von Clauß beabsichtigte Provokation war erfolgreich : Guarinonius machte
sich daran, eine ausführliche Antwort zu verfassen. 1640 ließ er seine Hydroeno-
gamia in Innsbruck drucken und widmete sie den jungen Tiroler Erzherzögen und
dem inzwischen verstorbenen Pater Drexel.
In diesem Werk, das die Clauß’sche Schrift an Länge um mehr als das Dreifache
übertrifft, verwendet Guarinonius eine eigenwillige, metaphernreiche Einteilung in
vier congressus („Zusammenkünfte“) zwischen Wasser und Wein von unterschied-
licher Länge. Die längeren zwei, der zweite und dritte congressus, werden ihrerseits
in mehrere lavacra („Bäder“) eingeteilt, die einzelnen Kapitel als dilutum („Verdün-
nung“) bezeichnet. Der erste congressus analysiert das Titelblatt der Oenohydroma-
chia in ‚physiognomischer‘ Weise : Anhand der laut Guarinonius anmaßenden Ti-
tulatur des Autors, des Wortlautes des Titels, des Erscheinungsorts (Oeniponti wird
für ein Wortspiel mit dem latinisierten griechischen Wort für Wein genützt) und
des Fehlens einer approbatio („obrigkeitliche Genehmigung“) wird demonstriert,
um was für ein verwerfliches und verderbliches Werk es sich bei der Clauß’schen
Schrift handelt (39–54). Im zweiten congressus wird die Oenohydromachia zuerst
Kapitel für Kapitel umfassend untersucht und widerlegt, um anschließend als Gan-
zes verworfen zu werden (55–278). Der dritte congressus bietet eine Synthese der
Ansichten von Guarinonius über Wasser und Wein (279–415). Im letzten und kür-
zesten congressus lässt der triumphierende Guarinonius Gnade walten und bietet
seinem Gegner Vergebung an, unter der Bedingung, dass Clauß seine Ansichten
und Lebensweise zum Besseren ändere (416–428).
Guarinonius nimmt die Position des klar Überlegenen ein, sowohl in morali-
scher Beziehung (Verteidigung des heiligmäßigen Pater Drexel und der Tugend
i.A. gegen die Laster der Völlerei) als auch in fachlicher Hinsicht (langjährige
Erfahrung und allgemeines Ansehen). Das Werk ist ein Ausbund an eristischen
Untergriffen, Sarkasmus, Beleidigungen und Unterstellungen. Seinen Gegner, der
nicht mit Namen, sondern in vornehmer Verachtung nur als doctor oder scriptor
(„Skribent“) bezeichnet wird (obwohl sein Name durchaus für Kalauer genützt
und dabei graphisch herausgestrichen wird), stellt Guarinonius als Alkoholiker
dar : All seine Argumente werden darauf zurückgeführt, dass Clauß dem Wein ver-
fallen und sein Verstand vom Alkohol verwirrt sei. Am Ende jedes Kapitels wird in
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593