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Medizin 573
Plan der
Chylosophia
Vorgeschichte
Entstehungs-
geschichte
dukte, die Exkremente, durch den Darm ausgeschieden werden, übernehmen Ge-
krösevenen die wertvollen Teile der Nahrung in Form des chylus („Nahrungsbrei“)
aus dem Darm und transportieren sie in die Leber. Diese verwandelt nun in einem
weiteren Kochvorgang den chylus in Blut, wobei als Abfallprodukte diesmal Urin
und Galle entstehen. Das Blut wird schließlich in Körpergewebe verwandelt, wäh-
rend die Abfallprodukte in Form von Atem und Schweiß ausgeschieden werden.
Guarinonius plante im ersten Band seines Werkes nachzuweisen, dass chylus kei-
nesfalls aus dem Darm durch die Venen in die Leber gelangen kann. Nach der
gründlichen Widerlegung dieser Lehre, die er Apochylia nennt, wollte er im zweiten
Band seine eigene Lehre, die Chylosophia, offenbaren und den wahren, „königli-
chen“ Weg des chylus in die Leber zeigen.
Nach Guarinonius’ Darstellung wurde dieser Weg zum ersten Mal 1560 vom ita-
lienischen Pharmakologen und Anatomen Andrea Marini entdeckt (der v.a. durch
seinen Traktat über Einhörner Berühmtheit erlangt hatte). Über den Leibarzt Kai-
ser Rudolf II. und der Tiroler Landesfürsten Ferdinand II. und Maximilian des
Deutschmeisters, den Roveretaner Battista Ferrari († 1613), gelangten die Lehre
Marinis sowie seine hs. Aufzeichnungen 1603 an Guarinonius, der sie auf Ferraris
Wunsch bekanntmachen sollte. 1630 machte sich Guarinonius schließlich daran,
die im Manuskript Marinis nur skizzenhaft enthaltene Lehre der Welt zu offenba-
ren und sie ausführlich zu begründen.
Unter Guarinonius’ Autographen in der ULBT hat sich ein Entwurf der Chy-
losophia aus den 1630er-Jahren erhalten (Cod. 110,3, Bl. 167r–334v). Diesem
Entwurf, der einen Teil des später gedruckten Textes beinhaltet, aber nicht die
Grundlage des Druckes war und von diesem v.a. in der Anordnung des Materi-
als abweicht (Neuhauser 2006), sind interessante anonyme Anmerkungen eines
geistlichen Zensors vorangestellt, der Guarinonius’ allzu scharfe Ausfälle gegen
die Geistlichkeit, Obrigkeit und Frauen tadelt und auf deren Bereinigung vor der
Drucklegung insistiert. 1640 schickte Guarinonius eine heute leider verschollene
Zusammenfassung der ganzen Chylosophia zur Begutachtung an Johannes Ves-
ling (1598–1649), den Anatomie- und Chirurgieprofessor der Universität Padua.
Veslings positive Antwort ermunterte Guarinonius, sein Werk drucken zu lassen,
doch der Streit mit Matthäus Clauß verzögerte die Veröffentlichung wieder um ein
paar Jahre. Als 1648 endlich der erste Teil der inzwischen gründlich überarbeiteten
Chylosophia erschien, bedauerte Guarinonius im Vorwort, dass er wegen der Um-
stände in diesen kriegerischen Zeiten nicht das ganze Werk auf einmal veröffentli-
chen konnte. Es ist jedoch nicht sicher, ob die übrigen Teile der Chylosophia, mit
Ausnahme jener Kapitel aus dem Entwurf, die nicht in den Druck übernommen
wurden und vermutlich im zweiten Teil des ersten Bandes Platz gefunden hätten,
je vollständig ausformuliert wurden.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593