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Medizin 575
Dialoghandlung
Exkurse
diesen Gebieten in Szene zu setzen, sowohl durch Beleuchten des Problems aus
verschiedenen fachlichen Perspektiven als auch durch Einbau diverser Exkurse. Ne-
ben diesen Hauptdiskutanten führt Guarinonius auch die iuventus academica („stu-
dentische Jugend“) ein, einige Tiroler Studenten von verschiedenen deutschen und
italienischen Universitäten auf Ferienaufenthalt in der Heimat, die das Publikum
des Gesprächs darstellen und dieses durch ihre Wissbegierde erst in Gang bringen.
Durch Einführung der Jugend als Publikum in die Fiktion kann Guarinonius dem
Lesepublikum auch die für Laien bestimmten Erklärungen liefern, die in einem
Gespräch unter Fachleuten sonst fehl am Platz wirken würden.
An einem Sommertag treffen sich die Dialogteilnehmer zufällig bei der Loretto-Kirche :
Von Hall her kommen Guarinonius und der Theologe Theotimus, von Innsbruck her
die anderen. Nach einer spontan gefeierten Messe lässt sich der unwillige Guarinonius
überreden, auf die schon lange an ihn herangetragenen Bitten endlich einzugehen und
seine großartige neue Lehre, die chylosophia, zum Wohl der Allgemeinheit zu erklären,
unter der Bedingung, dass dies in geordneten akademischen Bahnen geschieht. Zu diesem
Zweck wird im Hof von Guarinonius’ Haus eine Akademie mit Theotimus als Rektor
eingerichtet, in welcher jeden Vormittag und Nachmittag Vorlesungen stattfinden sollen.
Die Regeln für den akademischen Betrieb werden festgelegt und die Rolle des Anhängers
der neuen Lehre Prochylus, die des Anhängers der irrigen alten Doktrin Antichylus zu-
geteilt.
Im Folgenden wechseln dialogische Partien und monologische Vorlesungen, im-
mer aufgelockert durch abwechslungsreiche Übergänge und lebhafte Digressionen.
Guarinonius widmet dieser Ausschmückung und Belebung des Textes nicht wenig
Aufmerksamkeit. Wenn die Teilnehmer z.B. die Meinung einer Autorität für ihre
Argumentation brauchen und diese in einem Buch nachschlagen wollen, muss zu-
erst jemand ins Haus geschickt werden, um es zu holen. Das Gespräch läuft weiter,
bis das Buch gebracht wird und die Argumentation fortgesetzt werden kann. Die
Teilnehmer unternehmen auch eine Exkursion, auf der sie als Analogie zu den Ver-
dauungsvorgängen das Funktionieren einer Mühle beobachten können.
Auch inhaltlich bemüht sich Guarinonius um Abwechslung : Die Widerlegung
der irrigen alten Lehre von den Verdauungsvorgängen wird immer wieder von ei-
ner Vielfalt an Themen unterbrochen : So präsentiert er z.B. aus dem Gebiet der
Kosmologie und Astronomie eine Beschreibung eines eigenwilligen geozentrischen
Systems, Kritik am Gebrauch der Fernrohre sowie später eine Apologie der guten,
modernen Fernrohre und eine chiliastische Berechnung, nach der die Welt nur
noch 272 Jahre bestehen werde. Aus dem Gebiet der Medizin wiederum kommen
u.a. eine Kritik an teuren und nutzlosen Medikamenten, Anweisungen zur Ernäh-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593